Hi-Res
Booklet
Auszeichnungen
5 de Diapason -
4 étoiles Classica
Das Lugano Festival von 2015 war schon außerordentlich reich an ausgewählten und besonders mitreißenden Augenblicken gewesen (u.a. Trio von Brahms, Sonate für zwei Klaviere von Poulenc). Das Festival 2016 hat seinerseits beeindruckende Momente erlebt, denn die große Martha Argerich hatte sich entschlossen, zum ersten Mal nach mehr als dreißig Jahren Gaspard de la nuit wieder in der Öffentlichkeit zu spielen. Die Idee, sich an ihrem eigenen Erfolg vor vierzig Jahren zu messen, bereitete ihr zunächst große Sorgen – sie hatte 1974 für die Deutsche Grammophon eine Ravel-LP mit Gaspard, Sonatine und Valses nobles et sentimentales aufgenommen, die trotz enttäuschender Tonaufnahmen allen in bester Erinnerung geblieben ist. Ein Live-Erlebnis bringt jedoch den Zauber einer sich uneingeschränkt entfaltenden Klangfülle und der visuellen Präsenz. Der Ausdruck der Qualen des Gibet klingt lange nach, bei Skarbo sieht man regelrecht die Irrlichter flackern, während bei in der hell leuchtenden Ondine Anklänge an Liszt sowie an Une barque sur l'océan, das Ravel einige Jahre zuvor geschrieben hatte, zu hören sind. Die Berichte über dieses Lugano Festival 2016 fallen unterschiedlich aus als man es gewohnt ist. Zu Beginn eine echte Repertoirerarität: das Violinkonzert von Busoni in D-Dur (wie auch die von Beethoven, Brahms und Tschaikowsky), das die Opusbezeichnung 35 trägt (wie auch die von Tschaikowsky und Korngold), gespielt von Renaud Capuçon. Ein Werk für zwei Klaviere darf im Repertoire von Argerich nicht fehlen. So spielt sie hier mit Sergey Babayan die Sonate für zwei Klaviere KV 448 von Mozart, ein Stück, das sie seit einigen Jahren regelmäßig mit Freunden spielt. Nicht zu vergessen, das sehr aufrichtige Horntrio von Brahms mit dem Trio Capuçon, Angelich & Guerrier (2015 wurde eine unvergessliche Fassung ohne Horn aufgeführt) und vor allem die Violinsonate von Bach mit Martha Argerich und Tedi Papavrami, die uns völlig vergessen lässt, dass es noch fünf andere Werke von Bach für die gleiche Besetzung gibt, die wir von diesem Duo nicht hören können. Wie immer ist der Moment, den wir mit dem Tiempo & Lechner verbringen höchst anregend und viel zu kurz. Das Duo spielt hier zwei Tänze von de Falla. Beim Festival 2016 hat Argerich auch das Konzert in G-Dur von Ravel aufgeführt. Vielleicht nicht die außergewöhnlichste aller ihrer Darbietungen dieses Werkes, jedoch sind ihre Phrasierungen, ihre Akzente und ihre sehr persönlichen Nuancen so gefühlvoll und berührend wie nie zuvor. Möge das Festival von Lugano in einigen Jahren mit der Hilfe großzügiger Förderer, die sich wehmütig an all diese unvergesslichen Momente erinnern, wieder auferstehen. © PYL