Iceage
Heiß, heißer, Eiszeit. Vier junge Dänen brechen 2011 mit großem Ungestüm aus dem Proberaum aus und bringen krachenden Lofi-Punk in die Welt. Von Pitchfork bis zur New York Times will jeder bei der Reise dieses dänischen Quartetts dabei sein.
Ein paar Jahre zuvor begannen Elias Bender Ronnenfelt (Gesang), Dan Kjaer Nielsen (Schlagzeug), Jakob Tvilling Pless (Bass) und Johan Surrballe Wieth (Gitarre) aus purer Langeweile, miteinander Musik zu machen. Ein Freund hatte ein Drumkit im Dachboden von Jakob untergestellt. Als die ersten eigenen Songs aus den Gitarren strömen, sperrt der Kopenhagener Untergrund schnell die Ohren für dieses Noise-Punk-Gemisch auf.
24 Minuten dauert ihr Debüt "New Brigade", für das sich die Band wohl auch keine Minute länger im Studio aufhielt. Im Jahr 2010 steht es in Dänemark in den Läden, gleich darauf winkt schon das prestigeträchtige Roskilde-Festival mit einem Slot.
Im Sommer 2011 erscheint die Platte auch in den USA, eine Tour von Küste zu Küste folgt. Bilder von blutigen Nasen machen die Runde und beschwören schnell ein Image von "teenage bullies full of anger and anxiety" herauf. Im September findet "New Brigade" auch endlich den Weg in deutsche Plattenläden.
Den Jungs ist das freilich egal. Sie zerstreuen auch die ständigen Vergleiche mit Refused. Sänger Elias mag diese Band noch nicht einmal. Die Band verehrt statt dessen Springsteen und Crisis, der Sound auf "New Brigade" holt sich seine Referenzpunkte eher bei No Age und Wire ab.
Kurz nach ihrem Debüt finden sich Iceage in einer wilden Diskussion um ihre politischen Gesinnung wieder, die kurz vor dem Release des Nachfolgers "You're Nothing" nochmals hochkocht. Diese zielt weniger auf die Texte, vielmehr auf die verwendeten Bilder und Methapern ab.
Doch die Dänen machen es ihren Gegnern auch all zu leicht. Ähnlich wie Joy Division in ihren Anfangstagen flirtet die Band mit jüdischem Schlagzeuger im Video zu "White Runes" mit zweifelhafter Ästhetik. Burzum-Buttoms sowie ein Tattoo der Neo-Folk-Band Death In June am Arm des Gitarristen tun ihr übriges.
"Ich habe mir das Tattoo machen lassen, als ich siebzehn Jahre alt war. Ich sah das Logo auf einer Plattehülle und fand es damals cool. Übrigens der Grund für die meisten Tattoos, die ich habe. Ich habe auch ein großes 'Big Germs'-Tattoo, das wird aber in keinem Artikel erwähnt", sagt Johan Wieth mit den Vorwürfen konfrontiert.
Leicht einzuordnen bleiben Iceage nicht. Jeder mag sich sein eigenes Bild machen. Doch entgegen den Südtirolern Frei.Wild verzichten sie in ihrem musikalischen Schaffen ganz auf politische Äußerungen und Ausgrenzung. Viel eher zelebriert Sänger Ronnenfelt in den Videos seiner Zweitband Vår Homoerotik. Welcher Punk oder Nazi verbreitet gerne Bilder von sich, auf denen er einen anderen Mann küsst?
"Die meisten Freunde aus meiner Kindheit sind schwarz oder Araber. Dann kommen nach all den Jahren wildfremde Menschen, zeigen mit den Finger auf mich und schimpfen mich einen Nazi. Eigentlich ist mir das egal. Sollen sie doch. Sie sind die, die verurteilen. Die einzige Schande daran wäre, wenn unsere jüdischen oder schwarzen Fans diese Vorwürfe für bare Münze nehmen und sich angegriffen fühlen", erklärt Bassist Jakob Tvilling Pless im Interview mit Collapse Board.
© Laut
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