Guided By Voices
Sie sind laut Mojo das "bestgehütete Geheimnis des Indie-Rock": Guided by Voices. Die 'Band' mit der wohl höchsten Punktzahl auf der nach oben offenen "Go-Betweens-Skala" (Rolling Stone) für jene Sorte Kritikerlieblinge, die über viele Jahre zwar einige eingeschworene Verehrer um sich scharen, der weiten Öffentlichkeit jedoch komplett verborgen bleiben. Guided By Voices ist der am 31. Oktober 1957 in Dayton, Ohio geborene Grundschullehrer Robert 'Bob' Pollard. Mit stetig wechselnden Bandmitgliedern, bis heute nach inoffiziellen Schätzungen etwa 50, kreiert er seit 1983 unermüdlich tausende von Gitarrenpophits: Singles, EPs, Alben, Compilation-Beiträge, Solo-Releases und Nebenprojekt-Veröffentlichungen sind Legion.
Etwa 4.000 Songs hat Pollard, eigenen Angaben zufolge, bislang geschrieben - davon ca. 700 veröffentlicht. Durchschnittlich 100 neue Lieder kommen Jahr für Jahr dazu. Wahnsinn? Kann man meinen. 1983 beginnt Pollard mit ein paar Kumpels als Guided By Voices, spielt Live-Konzerte, veröffentlicht eine EP, bis 1987 ihr Debüt-Album "Devil Between My Toes" erscheint. 'Low-Fi' ist ein schmeichelhaftes Attribut für diese und folgende auch handwerklich recht rohe LPs.
Die Sache beginnt ernster zu werden, als GBV Anfang '94 einen Vertrag beim Indie-Label Matador unterzeichnen. Pollard kündigt seinen Lehrerjob, "Bee Thousand" erscheint und sorgt in Kritikerkreisen für ordentlichen Aufruhr. Vergleiche mit Velvet Underground, Captain Beefheart, The Who und, ja, sogar den Beatles werden laut. Die Band beginnt, eine ansehnliche und durchaus illustre Fan-Schar hinter sich zu versammeln. Stadtnachbarn wie Kim Deal und Thurston Moore gehören zu den ersten bekennenden GBV-Verehrern, heutzutage freuen sich Jungrocker wie die Strokes über einen Gastauftritt von Pollard & Co. in ihrem Video ("Someday").
Mit "Do The Collapse" wagen GBV 1999 den Schritt zu einem Major-Release. Produziert von Ric Ocasek (Ex-Cars Frontmann und Produzent von Iggy Pop, Bad Religion, Weezer u.a.), erntet die Platte jedoch eher zurückhaltende Kritik. Ohne den vertrauten Lo-Fi-Charme erreicht das Album nicht die gleiche Popularität unter den Fans, die GBV zwar einerseits den Erfolg R.E.M.s wünschen, andererseits das erfolglose Indie-Ding wohl irgendwie sympathischer finden. Und so wechseln auch Guided By Voices zurück zu Matador. Pollard selbst hat unterdessen ohnehin schon ungezählte Solo- und Nebenprojekte am Start, so dass die Anhängerschaft weiterhin zwei bis dreimal pro Jahr mit Pollardschen Erzeugnissen versorgt wird.
"Half Smiles Of The Decomposed" (2004) wird dann auch auch als das letzte Guided By Voices- Album annonciert und die Auflösung der Band bekannt gegeben.
Umso überraschter reagiert die Fangemeinde 2010 auf das Gerücht der Wiedervereinigung der Bandmitglieder aus den 1990er Jahren. Die Reunion mündet schließlich in dem Werk "Let's Go Eat The Factory" (Fire Records), auf dem sich Pollard und Kollegen wieder mit lässigem LoFi-Charme und anarchischem Spielwitz auf ihre große Zeit besinnen. Zum Release des 2013 erscheinenden "English Little League" verkündet Pollard abermals das Ende der Band, nur um sie im Februar 2016 erneut zu reaktivieren. "Please Be Honest" nennt sich das Comeback-Werk, das Pollard im Alleingang schreibt und einspielt. Dem folgt 2017 mit "August By Cake" das erste Doppelalbum der Bandhistorie und Pollards insgesamt 100. Album überhaupt.
Danach lassen GBV nicht mehr locker: Zehn Alben folgen bis 2021, darunter Highlights wie "Space Gun" und leichte Enttäuschungen wie "Styles We Paid For", dazu kommen noch Compilations und der Solooutput von Pollard. 2022 läuten "Crystal Nuns Cathedral" (März) und das hochgelobte "Tremblers And Goggles By Rank" (Juli) mit mehr Promo und aufwändigerer Produktion eine erneute aktive Phase der Band ein, die 2023 mit "La La Land", "Welshpool Frillies" und "Nowhere To Go But Up" fortgesetzt wird: GBV befinden sich auf einem Höhepunkt ihrer langen Geschichte.
© Laut
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