DJ Mehdi
Hedonisten reiten Frankreichs zweite Elektro-Welle. Nachdem Daft Punks French Touch-Filter-House in den Neunzigern die Clubs übernahm, walzt mit den Pariser Elektrolabels Kitsuné und Ed Banger Records die nächste Generation die stereotypen Stilmauern nieder.
Exzess, Spaß und Adipositas-Beats brauchen nach Minimal Techno jetzt den ganzen Platz auf der Tanzfläche. Aber es bleibt ja in der Familie: Ed Banger-Chefsesselsitzer Pedro Winter vereinigt auf sich den Job des Daft Punk-Managers, Labelmachers und DJs (als Busy P). It's a workaholic affair.
"Wir haben hier so um 1996 mit Daft Punk das French-Touch-Ding wachsen sehen, das dann ca. 2002 gestorben ist", sagt Winter, hinter seinen Schreibtisch im kleinen Büro in der Rue Ramey gepfercht. "Ich bin stolz, dass jetzt, zehn Jahre später, ein neuer Vibe mit jungen Küstlern aus Paris kommt, und dass Ed Banger Teil davon ist. Paris ist definitiv zurück auf der elektronischen Landkarte."
Wer Hipster wie Justice, Uffie, Mr. Oizo, SebastiAn und DJ Mehdi im Stall hat, gewinnt ohnehin jedes Elektrorock-Rennen. The Rapture, Kelis, Britney Spears – sie alle ließen ihre Songs von der Ed Banger-Posse zu Dancefloor-Killertracks veredeln.
DJ Mehdi ist 2007 schließlich der erste, der den Kicksüchtigen ein eigenständige Künstleralbum zum Fraß vorwirft. Eklektische Party-Breakbeats und eine fast unerhört zwingende Catchyness subsumiert er unter dem Oberbegriff HipHouse. A perfect fit.
Nach einer respektablen Produzentenkarriere in der französischen Hip Hop-Szene gerät Mehdi Faveris Essadi über Pedros Managementfirma Headbangers Entertainment zu Ed Banger. Unter Busy Ps Fittichen verkauft er weniger Platten als früher, als er mit seiner Rap-Truppe Ideal J Aufmerksamkeit erregte oder hinter dem Mischpult für MC Solaar und die Hiphopper 113 werkelte. Mit letzteren fuhr er seinerzeit Platin ein, außerdem remixte der Tausendsassa unter anderem Cassius, Joakim und Architecture In Helsinki.
Aber es geht ihm eben gerade nicht um Chartserfolg. Die bescheideneren Zahlen stehen für Freiheit, für weniger Zwänge und vor allem: für mehr Spaß. "Ich nehme die Sache mit dem Spaßhaben sehr ernst", gibt Mehdi zu Protokoll. "Heute denke ich an heute, und morgen denke ich dann eben daran, wie ich morgen Spaß haben kann. Nur aus diesem Grund versuche ich, der beste Produzent zu sein."
Darum, der Geschichte seinen Stempel aufzudrücken, dreht sich seine Welt nicht. "Ich denke nicht mehr an die Ewigkeit und Ruhm. Ich denke nur mehr an meinen Spaß, und zwar im Hier und Jetzt!" DJ Mehdi, Ed Banger Records, Hedonismus und die Moral von der Geschichte: Spaßgesellschaft muss kein Schimpfwort sein.
Allerdings endet der Spaß im September 2011 abrupt: Bei einer Feier stürzt DJ Mehdi vom Dach seines Hauses in Paris und erliegt seinen Verletzungen. Kollegen wie Just Blaze erwischt die Nachricht vom Tod des 34-Jährigen eiskalt: "Ich bin buchstäblich noch am Zittern", schreibt er. "Wir haben erst letzte Woche noch zusammen gespielt. Mein Mitgefühl gilt seiner Familie und denen, die ihn liebten. R.I.P., Mehdi!"
© Laut
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