André Heller
Seine musikalische Laufbahn beendet André Heller eigentlich 1985 mit dem Album "Narrenlieder". Im Laufe seiner erfolgreichen, 18 Jahre währenden Liedermacher-Karriere schafft er sich nicht nur in seiner Heimatstadt Wien neben begeisterten Anhängern auch etliche Feinde. Den Einen ist er begnadeter Visionär, den anderen erfinderischer Selbstdarsteller. Wie auch immer, 2003 umschmeichelt ihn ein junger Musikmanager so lange, bis er sich schließlich bereit erklärt, wieder ein Plattenstudio zu betreten. "Es muss sich niemand fürchten, dass ich an ein Comeback glaube. Ich werde nicht wieder Konzerte veranstalten, ich gehe nicht in eine Fernsehsendung und singe dort ein Lied von mir. Ich denke nicht daran."
Nach einer künstlerisch ambitionierten Kindheit, die mit Schauspielunterricht ihren vorläufigen Höhepunkt findet, landet Andre Heller als junger Spund beim Österreichischen Rundfunk. Dort ist er 1967 Mitgründer und DJ des Popsenders "Ö3". Die Jahre zuvor übt er sich im Verfassen von Lyrik und Prosa und lungert als Schauspieler auf Wiener Avantgarde-Bühnen herum. "1967 habe ich auch begonnen, meine Gedichte zu vertonen und mittels meiner Stimme über Schallplatte und in Liederabenden Millionen Menschen zugänglich zu machen. Dies war nach dem Beispiel Bob Dylans zunächst sinnvoller als Lyrikbändchen im Selbstverlag oder bei Suhrkamp zu veröffentlichen".
In den 70er Jahren steigert sich seine Popularität als Mundart-Interpret sarkastisch-melancholischer Texte. Die Liedermacher-Szene boomt. Österreich schickt mit Vertretern wie Wolfgang Ambros, Georg Danzer und Ludwig Hirsch prominente Streiter in die Arena. Als österreichisches Zentrum der linkslastigen Szene gilt Wien. Dort skandiert auch Andre Heller seine provozierende These: "Wien ist eine alte Frau, drum wart ich bis zum Muttertag, dass ich erschlag die Sau". Seine streitsüchtigen Inhalte bringen ihm den Leumund des hochbegabten, aber frech und anpassungsunfähigen Künstlers ein. Der Eulenspiegel von Wien!
Seine musikalische Karriere beschränkt sich auf die Zeit zwischen 1968 und 1985. Dazwischen liegen 14 Langspielplatten (zwölf Goldene und sieben Platin), neun Konzerttourneen und zwölf abendfüllende TV-Shows, für die er von der Presse zwischen 'hochbegabter Paradiesvogel' und 'surrealer Selbstverherrlicher' gehandelt wird. "Sein letztes Album setzt dem ohne Zweifel die Krone auf, bündelt Scheitern und Gelingen", weiß das Zeitungswesen seinerzeit zu berichten.
"1982, also durchaus im Zenit dieser Karriere, musste ich meine Konzerttätigkeit beenden, weil es mir zur Qual wurde, um 20 Uhr vor einigen tausend Zuhörern begabt zu agieren, nur weil sie Eintritt bezahlt hatten. 1984 verabschiedete ich mich auch von meinen Plattenambitionen. Ich wusste, man verzeihe mir den eventuellen Hochmut, dass ich im deutschen Sprachraum konkurrenzlos war und meine Zeit besser für Abenteuer nützen sollte, von denen ich Wesentliches lernen würde".
Auf dem Höhepunkt seines musikalischen Schaffens 1976 gründet er zusammen mit Bernhard Paul den Zirkus Roncalli, in dem er für Wort, Bild und Regie verantwortlich zeichnet. Dieses Projekt macht ihn über die europäischen Grenzen hinaus bekannt. Alsbald überwirft er sich mit Zirkusdirektor Paul und verabschiedet sich vorerst wieder von zirzensischen Ambitionen. Fünf Jahre später startet er das "Poetische Variete Flic Flac", das zusammen mit der chinesischen Artisten-Show "Begnadete Körper" seinen weltweiten Ruhm als Verwirklicher märchenhafter Ideen festigt.
Diese drei bekanntesten Aktivitäten Hellers werden von zahlreichen Inszenierungen flankiert, die mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg über die Bühne gehen. Allen gemeinsam ist jedoch Hellers Drang zur Gigantomanie. 1984 inszeniert er vor dem Berliner Reichstag das Feuerspektakel "Sturz der Träume", das mit 650.000 Zuschauern die bis dahin größte Menge zahlender Zuschauer vereint. 1987 arbeitet er in Hamburg für "Luna Luna" mit Roy Lichtenstein, Salvador Dali, Keith Haring, Friedensreich Hundertwasser, Jean Michelle Basquiat und Jean Tinguely zusammen, um einen Jahrmarkt der modernen Kunst zu realisieren. Begehbare Skulpturen, ein "Dali-Dom" und die Begleitmusik von Philipp Glass machen die Kirmes zu einem unvergesslichen Vergnügen.
1992 schippert er im Hongkonger Hafenbecken eine 50 Meter hohe Bambusskulptur durch die Fluten. 1995 inszeniert er für den Kristallglashersteller Swarovski in Tirol die unterirdischen "Kristallwelten". Bis heute zieht diese Installation ein Millionenpublikum in seinen Bann. 1998 realisiert er in Essen das Projekt "Meteorit" mit unterirdischen Wunderkabinetten und Multimedia-Shows. 2000 gestaltet er die 24-bändige Enzyklopädie "Brockhaus 2000". Neben all diesen Großinszenierungen findet er die Zeit, 14 Bücher zu schreiben, als Schauspieler in Filmproduktionen zu agieren und selbst Theaterstücke zu schreiben.
Geboren als Franz André Heller am 22.März 1947 in Wien, nimmt er 1989 Abschied von seiner Heimatstadt und zieht an den Gardasee, um sich fortan von der italienischen Mentalität inspirieren zu lassen. "Ich muss Expeditionen starten in weiße Flecken auf der Landkarte der Kunst".
© Laut
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