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Ein alter Regisseur reist durch China und hat noch einen Wunsch, den Wind zu filmen. Wenige Monate vor
seinem Tod dreht Joris Ivens 1988 „Une Histoire du Vent“. Für den Soundtrack und diese unmögliche Idee gab es keinen Besseren als Michel Portal. Im Opener „City Birds“ aus seinem neuen Album „Eternal Stories“ manövriert seine Bassklarinette wie ein dunkler Riesenvogel durch städtische Labyrinthe. „Le souffle“ (der Atem) ist ein Wort, das im Gespräch immer wiederkehrt, während wir vor seinem Konzert in einer Kapelle im südfranzösischen Arles sitzen. Eben haben ihn die Veranstalter noch damit gequält, vor kleinen Kindern Fragen über Musik zu beantworten. „Ich weiß nicht, warum ich sowas mache.“ Dann erzählt Portal von Strawinskys „Drei Stücke für Solo-Klarinette“ – gerade mal wieder gespielt, aber jetzt endlich sei er zufrieden damit. Der ewige Selbstzweifler explodiert vor Lachen, als ich ihm den Satz von Sonny Rollins zitiere: Studioaufnahmen seien für ihn „eine traumatische Erfahrung“. „Mais oui!“ Deshalb nur die wenigen Platten in all den Jahren, jedes Mal ein neuer Anlauf, die reinste Sisyphos-Arbeit. Wie ein großer Schauspieler braucht er die Bühne und das Publikum. „So müde ich vorher gewesen sein mag – danach fühle ich mich wie nach einer Tonne Aspirin.“ Was auf ihn eindringt, was immer auf ihn eingedrungen ist, verwandelt er in Musik.
Doch jetzt ist er über seinen Schatten gesprungen. Mit den vier jungen Musikern vom Quatuor Ébène, einem phänomenalen Streichquartett, kam der coup de foudre. „Vier abgehärtete Youngster und ein jugendlicher Veteran“ schwärmt „Le Monde“. Endlich mal kein von Marketing-Experten kalkulierter Crossover. Die Klischees vom „Brückenbauer“, „Wanderer zwischen den Welten“ und „musikalischen Geschichtenerzähler“ – all diese Bilder waren Portal stets fremd, mutig wechselte er immer von einer Sprache in die andere. Der Mann mit den Klarinetten ist einer der ganz wenigen, die sowohl im Jazz und der Klassik als auch in der Neuen Musik parallel reüssiert haben, zwischen Mozart und Charlie Parker, Barbara und Mauricio Kagel. Mit der Sängerin Barbara verband ihn ein besonderes Verhältnis. „Wir waren beide fast identisch, beunruhigt und unentschlossen.“ In das Chanson „Pierre“ injizierte Portal ihr den Geist des Jazz. Und da sein Blick immer nach vorne gerichtet war, sind auch diese neuen „Eternal Stories“ kein Versuch einer Mélange aus Klassik und Jazz, sondern vermutlich seine beste Platte seit „Turbulence“ (1987).
Die Portals kamen als spanische Basken im Bürgerkrieg über die Pyrenäen. Als Kind in Bayonne sucht Michel schon immer die Nähe zu Musikern. Sein Vater hat eine Druckerei und dann ein Café. Michel, ein scheuer, in sich gekehrter Junge, der die Schule hasst, fühlt sich wie in einer kulturellen Wüste, und diesen „Horror vor der Provinz“ wird er nie mehr los. „Elucubration“ aus der neuen CD meint etwas hart Errungenes, das unendlich leicht daherkommt. Nach langer Suche wählt Michel für sich die Klarinette, doch er hat nie Ziele. Seine ewige Unruhe im Blick ist lebenslang geblieben. „Ravel, Bird und Stan Getz holten mich aus meiner Melancholie.“ 1959 gewinnt er den Ersten Preis am Konservatorium in Paris, 1965 ist er am epochalen Album „Free Jazz“ beteiligt, vier Jahre später formiert er „New Phonic Art“ mit Vinko Globokar. Auch Boulez und Stockhausen holen ihn. Erst mit 36 Jahren stellt er 1971 die „Michel Portal Unit“ in oft wechselnder Besetzung zusammen. „Ich durchquerte all diese Welten und stellte mir nie viele Fragen.“
Sein Leben war immer ein Chaos, nicht mal ein Tisch steht in der großen Wohnung im 6. Arrondissement in Paris, dafür aber 20 Koffer. Fliehen, aber wohin? Im Mai ́68 öffnen sich alle Schleusen, auch im Jazz, das Antrainierte gilt nicht mehr. „Der Respekt für Ellington und die anderen war immer da, aber jetzt wollten wir mal was Neues machen.“ Manche erholen sich nie wieder von diesem Schock, viele zieht es zum ersten Mal überhaupt zur freien Improvisation. Für einen kurzen Moment hören auch die Komponisten hin. „Ich habe größten Respekt für den Typen, der bis ins kleinste Detail notiert hat, wie man die Musik spielen soll.“
Für die CD „Eternal Stories“ hat er einige alte und neue Stücke subtil (re-)arrangiert, und sie klingen besser denn je. Zum Beispiel „Judy Garland“ aus der Zeit, als er oft nach Minneapolis reiste, um mit Musikern der Clique um Prince zu experimentieren. Oder „Solitudes“, das Ellington gewidmet ist. Der Bassist Miroslav Vitous schreibt ihm: „Michel, your problem is that you’re greater than you think.“ Nun müssten Sie noch hören, wie Portal lacht. Aber jetzt lassen Sie sich hineinziehen in seine „ewigen Geschichten“.
© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de
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Michel Portal, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist - Pierre Colombet, Composer
© 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company ℗ 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company
Michel Portal, Composer, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Michel Portal, Composer, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Michel Portal, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Composer, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Michel Portal, Composer, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Astor Piazzolla, Composer - Michel Portal, Bandoneon, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Astor Piazzolla, Composer - Michel Portal, Bandoneon, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Astor Piazzolla, Composer - Michel Portal, Bandoneon, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Michel Portal, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist - Gabriel Le Magadure, Composer
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Michel Portal, Composer, Clarinet, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist
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Michel Portal, Bandoneon, FeaturedArtist - Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist - Raphaël Merlin, Composer
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Xavier Tribolet, Keyboards, FeaturedArtist - Richard Héry, Drums, FeaturedArtist - Quatuor Ébène, String Quartet, MainArtist - Adrien Boisseau, Composer
© 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company ℗ 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company
Albumbeschreibung
Ein alter Regisseur reist durch China und hat noch einen Wunsch, den Wind zu filmen. Wenige Monate vor
seinem Tod dreht Joris Ivens 1988 „Une Histoire du Vent“. Für den Soundtrack und diese unmögliche Idee gab es keinen Besseren als Michel Portal. Im Opener „City Birds“ aus seinem neuen Album „Eternal Stories“ manövriert seine Bassklarinette wie ein dunkler Riesenvogel durch städtische Labyrinthe. „Le souffle“ (der Atem) ist ein Wort, das im Gespräch immer wiederkehrt, während wir vor seinem Konzert in einer Kapelle im südfranzösischen Arles sitzen. Eben haben ihn die Veranstalter noch damit gequält, vor kleinen Kindern Fragen über Musik zu beantworten. „Ich weiß nicht, warum ich sowas mache.“ Dann erzählt Portal von Strawinskys „Drei Stücke für Solo-Klarinette“ – gerade mal wieder gespielt, aber jetzt endlich sei er zufrieden damit. Der ewige Selbstzweifler explodiert vor Lachen, als ich ihm den Satz von Sonny Rollins zitiere: Studioaufnahmen seien für ihn „eine traumatische Erfahrung“. „Mais oui!“ Deshalb nur die wenigen Platten in all den Jahren, jedes Mal ein neuer Anlauf, die reinste Sisyphos-Arbeit. Wie ein großer Schauspieler braucht er die Bühne und das Publikum. „So müde ich vorher gewesen sein mag – danach fühle ich mich wie nach einer Tonne Aspirin.“ Was auf ihn eindringt, was immer auf ihn eingedrungen ist, verwandelt er in Musik.
Doch jetzt ist er über seinen Schatten gesprungen. Mit den vier jungen Musikern vom Quatuor Ébène, einem phänomenalen Streichquartett, kam der coup de foudre. „Vier abgehärtete Youngster und ein jugendlicher Veteran“ schwärmt „Le Monde“. Endlich mal kein von Marketing-Experten kalkulierter Crossover. Die Klischees vom „Brückenbauer“, „Wanderer zwischen den Welten“ und „musikalischen Geschichtenerzähler“ – all diese Bilder waren Portal stets fremd, mutig wechselte er immer von einer Sprache in die andere. Der Mann mit den Klarinetten ist einer der ganz wenigen, die sowohl im Jazz und der Klassik als auch in der Neuen Musik parallel reüssiert haben, zwischen Mozart und Charlie Parker, Barbara und Mauricio Kagel. Mit der Sängerin Barbara verband ihn ein besonderes Verhältnis. „Wir waren beide fast identisch, beunruhigt und unentschlossen.“ In das Chanson „Pierre“ injizierte Portal ihr den Geist des Jazz. Und da sein Blick immer nach vorne gerichtet war, sind auch diese neuen „Eternal Stories“ kein Versuch einer Mélange aus Klassik und Jazz, sondern vermutlich seine beste Platte seit „Turbulence“ (1987).
Die Portals kamen als spanische Basken im Bürgerkrieg über die Pyrenäen. Als Kind in Bayonne sucht Michel schon immer die Nähe zu Musikern. Sein Vater hat eine Druckerei und dann ein Café. Michel, ein scheuer, in sich gekehrter Junge, der die Schule hasst, fühlt sich wie in einer kulturellen Wüste, und diesen „Horror vor der Provinz“ wird er nie mehr los. „Elucubration“ aus der neuen CD meint etwas hart Errungenes, das unendlich leicht daherkommt. Nach langer Suche wählt Michel für sich die Klarinette, doch er hat nie Ziele. Seine ewige Unruhe im Blick ist lebenslang geblieben. „Ravel, Bird und Stan Getz holten mich aus meiner Melancholie.“ 1959 gewinnt er den Ersten Preis am Konservatorium in Paris, 1965 ist er am epochalen Album „Free Jazz“ beteiligt, vier Jahre später formiert er „New Phonic Art“ mit Vinko Globokar. Auch Boulez und Stockhausen holen ihn. Erst mit 36 Jahren stellt er 1971 die „Michel Portal Unit“ in oft wechselnder Besetzung zusammen. „Ich durchquerte all diese Welten und stellte mir nie viele Fragen.“
Sein Leben war immer ein Chaos, nicht mal ein Tisch steht in der großen Wohnung im 6. Arrondissement in Paris, dafür aber 20 Koffer. Fliehen, aber wohin? Im Mai ́68 öffnen sich alle Schleusen, auch im Jazz, das Antrainierte gilt nicht mehr. „Der Respekt für Ellington und die anderen war immer da, aber jetzt wollten wir mal was Neues machen.“ Manche erholen sich nie wieder von diesem Schock, viele zieht es zum ersten Mal überhaupt zur freien Improvisation. Für einen kurzen Moment hören auch die Komponisten hin. „Ich habe größten Respekt für den Typen, der bis ins kleinste Detail notiert hat, wie man die Musik spielen soll.“
Für die CD „Eternal Stories“ hat er einige alte und neue Stücke subtil (re-)arrangiert, und sie klingen besser denn je. Zum Beispiel „Judy Garland“ aus der Zeit, als er oft nach Minneapolis reiste, um mit Musikern der Clique um Prince zu experimentieren. Oder „Solitudes“, das Ellington gewidmet ist. Der Bassist Miroslav Vitous schreibt ihm: „Michel, your problem is that you’re greater than you think.“ Nun müssten Sie noch hören, wie Portal lacht. Aber jetzt lassen Sie sich hineinziehen in seine „ewigen Geschichten“.
© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de
Informationen zu dem Album
- 1 Disc(s) - 12 Track(s)
- Gesamte Laufzeit: 01:08:48
- 1 digitales Booklet
- Künstler: Quatuor Ébène
- Komponist: Various Composers
- Label: Erato - Warner Classics
- Genre: Klassik
© 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company ℗ 2017 Parlophone Records Limited, a Warner Music Group Company
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