Band of Horses
Sub Pop gilt seit 1987 zu den feinsten Adressen, wenn es um Alternative-Rock geht. Fast 20 Jahre nach der großen Grunge-Offensive mit Nirvana, Mudhoney, Soundgarden und den Screaming Trees hat sich das Label aus Seattle kurz nach dem Super-GAU, dem Selbstmord Kurt Cobains, neu positioniert und präsentiert sich nach der Millenniumswende vielseitiger und umtriebiger denn je. Mit Fleet Foxes, The Shins, Wolf Parade, The Gutter Twins, Kinski oder The Go! Team vereint Labelmitbegründer Jonathan Poneman erneut die erste Liga der Independent-Szene unter seinem Dach.
Klar, dass sich die Spürnase auch die Band Of Horses nicht durch die Lappen gehen lässt. Die Folk-Rock-Formation rufen 2004 Sänger/Gitarrist und Songwriter Ben Bridwell sowie Zweitklampfer Mat Brooke in der Nordwest-Metropole ins Leben. Als sie im Vorprogramm von Iron & Wine in Seattle auftreten, wird Sub Pop postwendend hellhörig. Nach kurzer Bemusterung der vielversprechenden Demos kennt die Begeisterung im Hauptquartier keine Grenzen mehr. Band Of Horses stehen ruckzuck unter Vertrag und gleich darauf im Studio.
Die Single "The Funeral" des furiosen Debütalbums "Everything All The Time" mausert sich zu einem echten Underground-Hit und macht die Band dank breitenwirksamer TV-Präsenz in einem Werbespot für SUVs landesweit bekannt. Die Nummer ist kurz darauf auch im Trailer zum Film "Penelope" sowie in der Premiere der neunten Staffel von "CSI" zu hören. Einer Perlenkette gleich, reihen sich auf den Alben die Songs ohne Qualitätsverlust nahtlos aneinander und überzeugen mit einer beeindruckenden Stilvielfalt samt Country- und Southern Rock-Anleihen.
Während der Gesang Bridwells Erinnerungen an Neil Young weckt, spannt der Gesamtsound unter dem Einsatz charmanter Schrammelgitarren einen weiten Bogen von erdigem Indierock bis zu luftigem Folk. Die Freundschaft zu den Kollegen von Built To Spill und Dinosaur Jr rührt nicht von ungefähr. Wenn man diesen Bogen jetzt noch bis zu Grandaddy und Flaming Lips weiterspannt, lässt sich in etwa erahnen, mit welchem Kaliber man es bei Band Of Horses zu tun bekommt.
Das Kollektiv, das uns der Bandname suggeriert, entpuppt sich früh als wacklige Fassade. Band Of Horses ist und bleibt im Kern die One-Man-Show Ben Bridwells. Nachdem sich Brooke schon nach dem ersten Album verabschiedet, um Grand Archives zu gründen,
herrscht im Hause BoH über Jahre ein munteres Kommen und Gehen. Erst anlässlich den Sessions zum dritten Longplayer "Infinite Arms" ringt sich Bridwell 2009 durch, die Herren Creighton Barrett (Drums), Ryan Monroe (Keyboards), Bill Reynolds (Bass) und Tyler Ramsey (Gitarre) zu festen Bandmitgliedern zu befördern.
Auch der optische Schein erweist sich als trügerisch. Die Tough-Guy-Aura, die vom Antlitz der schwerst tätowierten Bandmitglieder ausgeht, konterkariert ein beeindruckend komplexer Emotionsquotient, den man auf den ersten Blick wohl nicht in der Musik vermuten würde. Die beiden Songs "Is There A Ghost" und "Detlef Schrempf" stehen als Gegenpole exemplarisch für die dynamische Bandbreite, die Band Of Horses im Spannungsfeld von Laut und Leise abdecken.
Während "Is There A Ghost" zu einem mitreißenden und kraftvollen Akkordmonster emporsteigt und das 2007er-Opus mit einem dynamischen Höhenflug eröffnet, liefert die Hommage an den berühmten deutschen Basketballspieler der Seattle Supersonics eine mustergültige Demonstration des Prinzips 'Weniger ist mehr'.
Kein Wunder, dass Band Of Horses ihren Status als Geheimtipp spätestens im Zuge der Veröffentlichung von "Infinite Arms" einbüßen. Mit solch konsensfähigen Zugpferden wie "Factory" oder "Compliments" im Schlepptau erscheint der Wechsel zum Major Sony wie eine unvermeidliche Formsache. Die Einladung, Pearl Jam 2010 auf US-Tour zu supporten, führt Bridwell und Co. zwar schließlich in die großen Stadien, belegt aber eindrucksvoll, aus welchem Stall sie ursprünglich kommen.
Auch das 2012 erscheinende "Mirage Rock" erzählt Geschichten, die direkt vom Highway 101 stammen könnten. Aus dem Status des Geheimtipps sind BOH spätestens damit entwachsen und fühlen sich zu Höherem berufen. Dass ihr Konzept aber nach wie vor im intimen rahmen gar prächtig funktioniert, zeigen sie mit der 2014er Akustik-Scheibe "Acoustic At The Ryman".
Anfang 2016 dringt die Kunde durch, das Jason Lytle von Grandaddy das kommende Album produziert, das unter dem Namen "Why Are You Ok" im Juni des selben Jahres in den Läden steht.
© Laut
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