Damien Jurado
Er ist ein klassischer Geheimtipp: Ein Musiker, der zwei Jahrzehnte lang Platte nach Platte veröffentlicht, auf Tour geht, unzählige Kollabos eingegangen ist, von Kollegen und Kritikern hoch gelobt wird und dennoch nie den großen Durchbruch geschafft hat. Mit seinem eher introvertierten, oft experimentellen Folk ist er aber jederzeit eine Hörprobe wert.
Damien Jurado stammt aus Seattle, wo er Ende der 1980er Jahre erste Banderfahrungen sammelt. Zu Beginn der 90er Jahre spielt er mit Davin Bazan, der später Pedro The Lion gründet, in der christlich angehauchten Punk-Band Coolidge. Nebenbei nimmt er auch eigene Stücke auf, die er auf Kassetten auf dem eigenen Label Casa Recordings unters Volk bringt.
Das in Seattle ansässige Label Sub Pop nimmt Jurado schließlich unter Vertrag und veröffentlicht 2007 sein Debüt "Water Ave S". Zwei Jahre später erscheint mit "Rehearsals For Departure" sein bekanntestes Werk, dessen Auszüge "Honey Baby" und "Letters And Drawings" es immer wieder ins Radio schaffen.
Der angepoppte, fröhliche Sound trügt, denn Jurado ist ein eher in düsteren, manchmal auch spirituellen Gebieten beheimatet. Seine Texte sind oft hoffnungsarme Kurzgeschichten, die ihm vergleiche mit dem Schriftsteller Raymond Carver einbringen. "Ghost Of David" (1999) geht genau in diese Richtung und sorgt bei den (spärlichen) Fans ebenso für Kopfschütteln wie "I Break Chairs" (2002), das mit Begleitband wesentlich rockiger ausfällt.
2003 kommt Jurado beim Label Secretely Canadian unter, das in den folgenden Jahren einen Großteil seines Outputs veröffentlicht. Zumindest des offiziellen, denn nebenbei veröffentlicht Jurado zahlreiche EPs und Singles, sowohl unter eigenem Namen als auch mit befreundeten Künstlern. So gründet er mit seinem Bruder Drake eine Band namens Hoquiam, deren selbstbetiteltes Debüt 2010 in 500 Exemplaren auf einem Kleinstlabel erscheint.
Mit "Maraqopa" (2012) erreicht Jurado, der hauptberuflich als Vorschullehrer tätig ist, zum ersten Mal eine Platzierung in den Billboard-Charts. 2013 ist er an der Seite Mobys auf "Almost Home" aus dessem Album "Innocents" zu hören.
"Nick Drake hat sicherlich einen großen Einfluss ausgeübt, doch hat Jurado seine Karriere eher an eigenwilligen, unberechenbaren Künstlern wie Neil Young, Bob Dylan, Lou Reed oder Randy Newman ausgerichtet – Songwriter, die ihrer Muse folgen, wohin auch immer sie sie führen mag, und sich dabei weder um Kritiker noch ihre Fans scheren" schreibt der Kritiker Steve Huey über ihn.
Anlässlich des Albums "The Horizon Just Laughed" (2018) legt sich der Berliner Radioredakteur Andreas Müller mit Jurado an und fragt ihn, weshalb er den Medien kaum Musik zum Vorhören zusende und sein Album zu einem Geheimnis aufbausche. In der Antwort gegenüber Deutschlandfunk Kultur zeigt sich Jurado, der drei Songs zum Vorab-Streamen verschickt hatte, reserviert: "Es ist nichts Persönliches gegen die Presse, aber das gegenwärtige Modell zwischen Presse und Plattenfirmen gefällt mir nicht. Plattenfirmen kündigen ein Album an manchmal vier oder sechs Monate, bevor das Album überhaupt erscheint. Und sie erlauben den großen Namen wie Spotify und National Public Radio lange vor Veröffentlichung, die Songs zu streamen."
"Für mich ist das so, als ob dem Album selbst etwas genommen wird. Bei einem Bild von Andy Warhol oder Picasso beispielsweise sagt man auch nicht, 'ok, ich möchte nur diesen Teil des Bildes kaufen'. Und das ist das, was wir gerade mit der Musik machen. (...) Das ist nicht mein Ding. Ich bin mit dem Modell aufgewachsen: Man kauft ein Album, man kauft das komplette Album. Und auch die Erwartung – ich glaube Warten ist eine gute Sache (...) Heute ist das ja verrückter als Speeddating. (...) Ich möchte, dass Menschen eine Beziehung zur Musik haben. "
Unter Geheimhaltung erscheint auch im Mai 2020 das Album "What's New, Tomboy?". Der Begriff 'tomboy' bezieht sich auf jungenhaft gekleidete und sich männlich benehmende Mädchen. Ein Bezug zwischen Titel und Songinhalten klärt sich allerdings nicht auf. Jurado spielt die gesamte Platte mit nur einem Musiker, Josh Gordon, ein; beide agieren als Multiinstrumentalisten.
© Laut
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