Common
Common. Unpassender hätte der Rapper aus Chicago seinen Namen nicht wählen können. Von "gewöhnlich" ist dieser Styler vor dem Herren Lichtjahre entfernt. Im Grunde müssten dem Pseudonym stets zwei weitere Worte voran gehen: "Everything but ..." Sein Künstlername kam allerdings nicht ganz freiwillig zustande: Die ersten drei seiner Alben veröffentlicht Common noch unter dem Alias Common Sense, den er in Folge einer Klage kürzen muss.
Am 13. März 1972 in Chicago, Illinois als Lonnie Rashid Lynn Jr. auf die Welt gekommen, beschäftigt sich der kleine Junge in seiner Freizeit lieber mit Sport. Das hat er wohl vom Papa, einem Profi-Basketballer. Als Lonnie sechs Jahre alt ist, trennen sich die Eltern. Der Sohn bleibt bei der Mutter in Chicago, der Vater zieht nach Denver, Colorado. Die Verbindung zu seinem Spross reißt allerdings nicht ab: Später verschafft er ihm einen Job als Balljunge bei den Chicago Bulls. Lonnies Liebe zum Rap zeigt sich bereits zu High School-Zeiten: Mit zwei Freunden gründet er die Crew C.D.R., die unter anderem vor N.W.A. und Big Daddy Kane die Anheizer spielen dürfen. Ausbildung geht für Lonnie jedoch vor: Er verlässt die Truppe, um ein Universitäts-Studium aufzunehmen.
Als 20-Jähriger veröffentlicht er sein erstes Vinyl. Live-Instrumentierung begeistern unter anderem die Redaktion des Source-Magazins. Lonnie Rashid Lynn gewinnt den ersten Platz beim "Hype"-Wettbewerb des Hip Hop-Bibel. 1992 erscheint Lonnies Debüt "Can I Borrow A Dollar?", dem die Single "Take It EZ" voraus geht. Mit weiteren Auskopplungen etabliert er sich in der Underground-Szene. Kritiker stehen seinem Erstling mit gemischten Gefühlen gegenüber, da in den Texten eine unterschwellige Frauenfeindlichkeit mitschwingt. "Can I Borrow A Dollar?" kommt bei Ruthless Records heraus. Common Sense lässt sich die Gelegenheit zu einer kleinen Fehde mit Gangsta Ice Cube nicht entgehen.
Die moralischen Bedenken wischt Lonnie zwei Jahre später vom Tisch: "Resurrection" wird explizit wegen seiner intelligenten Lyrics gepriesen. Soul Love plus Black Power heißt die Formel, gemäß der er Reime droppt und Beats selektiert. Bewusst grenzt er sich gegen Gangster-Klischees ab, seine in den 60ern und 70ern verwurzelte Musik packt er in ein modernes Hip Hop-Soundgewand. Beide Alben werden von Common Senses langjährigem Partner No I.D. produziert - später der Mentor eines Jungen Namens Kanye West.
Der nächste Streich, "One Day It'll All Make Sense" begeistert Common Senses Fangemeinde mit einer hochkarätigen Gästeliste. Unter anderem wirken Lauryn Hill, Q-Tip, De La Soul, Erykah Badu und Black Thought von The Roots an den Songs mit. Daneben sorgt auch Lonnies Vater, der einige Texte beisteuert, für Inspiration. Was macht es da schon, dass das für Oktober 1996 angekündigte Album erst ein knappes Jahr später erscheint?
Stets offen für Kollaborationen mit anderen Acts, rappt er etwa auf Pete Rocks "Soul Survivor", dem Rawkus-Sampler "Soundbombing 2", Mos Def und Talib Kwelis "Black Star" und "Things Fall Apart" von den Roots mit.
Common steht in Folge im Nukleus der neuen Native Tongue-Bewegung. Der lose Künstler-Zusammenschluss Soulquarians schafft in den Folgejahren etliche Meisterstücke der jüngeren Rap- und Soul-Musik. Common zieht nach Brooklyn und macht sich mit James Poyser, Erykah Badu, Jay Dee, Q-Tip, D'Angelo und zahlreichen anderen Künstlergrößen dieser Zeit in Jimi Hendrix' ehemaligen Electric Ladyland Studios breit.
Dort entsteht "Like Water For Chocolate" auf dem sich ?uestlove, der Drummer der Roots, und J Dilla als Produzenten austoben. Die Single "The Light" wird für den Grammy in der Kategorie "Best Rap Solo Performance" nominiert. Common will sich offensichtlich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen und such auf "Electric Circus" neue Jagdgründe.
Mittlerweile schieben die Neptunes und einmal mehr ?uestlove an den Reglern. Electronica und Elektro-Rock hinterlassen ihre Spuren im Sound. Zu hören sind unter anderem Prince, P.O.D., Mary J. Blige, Pharrell Williams, Erykah Badu, Bilal und Cee-Lo. "Next level shit", so das wohlwollende Urteil der Kritik.
2003 kassiert Common endlich den verdienten ersten Grammy für Erykah Badus "Love Of My Life (An Ode To Hip Hop)", an dem er entscheidend beteiligt war. In der Sitcom "Girlfriends" gibt er im gleichen Jahr an der Seite Saul Williams' sein Schauspiel-Debüt. Anfang 2004 absolviert er einen Gastauftritt auf Kanye Wests gefeiertem Album "The College Dropout" und findet bei dessen frisch gegründeten Label GOOD Music eine neue Heimat.
Die neuen Freundschaft mit Jungspund Kanye West bringt Common wieder zurück auf den Rap-Film. So befreiend der künstlerische Ausflug offensichtlich war, so gerne kehrt er wieder zurück und läutet mit "Be" die Ära des neuen alten Common ein. Der Sound ist wieder definierter, das Image pendelt sich erneut beim afrozentristischen Native Tongue-Fackelträger ein.
Auch auf dem Nachfolger "Finding Forever" bleibt er dieser Linie treu. Außerdem taucht er zu Stippvisiten auf Fort Minors "The Rising Tied", Kanyes "Late Registration", J Dillas posthum erschienenen Album "The Shining" und bei Joss Stone auf, verfasst mehrere Kinderbücher, ruft mit der Common Ground Foundation eine wohltätige Stiftung ins Leben und bastelt an seiner Leinwand-Karriere. 2006 debütiert er in "Dave Chappelle's Block Party" als er selbst. In "Smokin' Aces" spielt er die erste "richtige" Rolle, die nächste dann in Ridley Scotts "American Gangster".
Der Ausflug nach Hollywood gefällt offensichtlich. Common macht sich tatsächlich in der hart umkämpften Szene einen Namen. Das zahlt sich auch finanziell aus, und so taucht sein Alias in der Forbes-Liste der Topverdiener aus dem Rap-Genre auf. Nicht verwunderlich, dass es in der Musik dann einmal um anderes geht als spirituelles Wachsen. Das 2008 erschienene "Universal Mind Control" zeigt den Lebemann Common, der dort vorwiegend auf Neptunes-Krachern die Hüften schwingt. Vom Attribut "gewöhnlich" kann man nach wie vor beim besten Willen nicht sprechen.
© Laut
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