Carly Rae Jepsen
Manchmal ist die Welt doch noch nicht so klein, wie man dank Weltnetz gemeinhin annimmt. Obwohl Carly Rae Jepsen in ihrer kanadischen Heimat bereits große Erfolge wie vorweisen kann, ist es erst ihr Über-Pophit "Call Me Maybe" 2011, der die Sängerin auch in den USA und Europa bekannt macht. Platz 3 beim Castingformat "Canadian Idol"? Zwei vergoldete Hitsingles sowie zwei Nominierungen bei den renommierten Juno Awards? Reicht offensichtlich noch lange nicht für weltweite Aufmerksamkeit ...
Vor ihrem "Idol"-Erfolg steht für die Songwriterin zunächst die Ausbildung am Canadian College of Performing Arts in Victoria. Mit 17 bekommt sie ihre erste Gitarre und denkt nur noch kurz über eine Karriere als Musiklehrerin nach. Ein Lehrer aus der alten Highschool legt ihr nach Jahren als Kneipenmusikerin schließlich die Bewerbung bei "Canadian Idol" ans Herz.
1985 in der westkanadischen Stadt Mission geboren, veröffentlicht Jepsen schon 2008 nach dem "Idol"-Erfolg ihr Folkpop-Debüt "Tug Of War". Aber erst drei Jahre später folgt der ganz große Durchbruch mit "Call Me Maybe": 17 Millionen mal verkauft sich das zuckrige, verschwärmte Sommerlied mit einem entsprechend knallbuntem Video, in dem Carly ihrem Dreamboy Avancen macht, der sich jedoch am Ende als schwul herausstellt.
Justin Bieber wie auch Selena Gomez twittern begeistert über den Track, woraufhin "Call Me Maybe" auf die YouTube-Startseite klettert. Schnell erobert Jepsen massenweise Teenager genauso wie die Guilty Pleasure-Listen mancher Indiekreise. Weshalb Jepsen schon bald nicht nur Bieber als Protegé, sondern auch einen Plattenvertrag mit Schoolboy Records besitzt, dem Label von Biebers Manager.
Der Track schafft es 2011/2012 in Australien, Neuseeland, Großbritannien und Irland bis an die Billboard-Chartspitze. Etwas ungewöhnlich folgt dem Erfolg jedoch nicht gleich ein ganzes Album, sondern lediglich die EP "Curiosity" (2012). Darauf versammelt die Kanadierin weitere Bubblegum-Songs, die sich deutlich vom vorherigen Singer-Songwriter-Ansatz unterscheiden. Man denke Popprinzessinnen der frühen 2000er, an Britney, Christina, Jessica und Mandy.
Für diesen Ansatz, ihren jugendlichen Kleidungsstil sowie das "saubere" Image, das ungeachtet ihres tatsächlichen Alters sehr auf junge Hörerkreise ziele, erntet die Sängerin Kritik. Zum auch auf Jepsens zweitem Album "Kiss" enthaltenen Song "Curiosity" soll sie sogar ein Video gedreht haben, das unveröffentlicht bleibt, weil es für die Zielgruppe zu "sexy" sei. Auch das dritte Album "Emotion" (2015) erweckt den Eindruck, als poche das Herz der mittlerweile 30-Jährigen immer noch im Pubertätsrhythmus.
Jepsen ficht das nicht an sie sagt: "Mein erklärtes Ziel lautet, diesen einen Song zu schreiben, der auch dann noch gehört wird und den Leuten ein gutes Gefühl gibt, wenn ich nicht mehr da bin. Nur deshalb stehe ich jeden Morgen auf und mache weiter Musik – weil ich diesen einen Song schreiben will."
Misst man ihr Album "Dedicated" 2019 daran, so gerät die Suche nach diesem "einen Song" so mühselig wie ein Puzzle aus 1.000 Teilen. Viele einzelne Passagen zitieren Disco und manche Takte sogar Funk. Im 80er-Jahre-Retro-Soundstrudel kommen aber genauso wenige Auffälligkeiten ans Licht wie in den zeitgeistigen Dance-Pop-Nummern. Ihre verführerische Intonation und Optik überstrahlen dagegen alles.
Für die Kanadiern hat es mittlerweile fast schon Tradition, auf jedes ihrer Studioalben das Release der jeweiligen B-Seiten folgen zu lassen. Auch ihre etwas durchwachsene LP "The Loneliest Time" von 2022 bekommt 2023 in Form von "The Loveliest Time" einen musikalischen Zwilling. Wie es die Dichotomie der Titel bereits vermuten lässt, agiert die Platte in diesem Fall nicht zwingend als Fortsetzung des Mutter-Albums, sondern dient vielmehr als Gegenentwurf.
© Laut
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