Legacy

Albumbeschreibung

Den Titel „Vermächtnis“ hat Karim Said seiner neuen CD gegeben. Diese umreißt ein musikalisches Erbe, das von der Virginalmusik des 16. und frühen 17. Jahrhunderts über die deutsche Romantik bis zur Zweiten Wiener Schule reicht. Entstanden ist ein sehr persönliches Konzeptalbum, das nie akademisch, sondern stets höchst lebendig wirkt. Mit Byrd und seinen Schülern Morley, Tomkins und Bull sowie Schönberg und dessen Schüler Webern stellt Said zwei musikalische Schulen vor. Hinzu kommt die gewaltige zweite Sonate von Brahms, den Schönberg bekanntlich den „Fortschrittlichen“ nannte. Dass die Variationswerke, Fantasien und Tanzsätze der Virginalmusik durch die Dynamik und Klangfarbenfülle des modernen Konzertflügels noch an Tiefe und Ausdruckskraft gewinnen können, haben seit Glenn Gould einige Pianisten erfolgreich vorgeführt. Karim Said knüpft mit seinen farbenreich-sensiblen Interpretationen nahtlos daran an. Auch für melancholische Töne wie in Tomkins Pavane „Earl Stafford“ findet er einen überzeugenden, natürlich-unaufgeregten Ausdruck. Höchst differenziert in der Dynamik und klar in der Struktur formt er die drei Zwölfton-Kompositionen aus. Schönberg präsentierte sein neues musikalisches Ordnungssystem im historischen Gewand einer barocken Suite. Und doch lässt sich die Expressivität seiner Musik auch als direkte Fortsetzung der Romantik lesen. Der in Jordanien geborene, aber in England ausgebildete Pianist verdeutlicht diese Nähe durch seine zupackend-kraftstrotzende Interpretation von Brahms' zweiter Sonate, die er auch im sanglichen Andante „con espressione“ spielt. Karim Said zeigt uns, wie weit das musikalische Vermächtnis reicht. Und wie uns dieses Erbe auch heute noch tief berühren kann.
© Willmes, Gregor / www.fonoforum.de