Lambchop
"If you haven't heard of them, you probably aren't from Nashville or France." - Wenn du nicht von ihnen gehört hast, bist du wahrscheinlich nicht aus Nashville oder Frankreich. So heißt es mit einer Prise Ironie auf einer Fanseite. Ein Satz, der für Deutschland nicht mehr zutrifft, spätestens seit Karl Bruckmeyer in der Süddeutschen Zeitung "Is A Woman" (2002) zu einem der zehn besten Alben aller Zeiten auserkoren hat.
Lambchop ist eine mehr oder weniger stabile Gruppierung von bis zu fünfzehn Musikern, die sich um Sänger Kurt Wagner schart. Ansässig in Nashville, der Wiege des Country, beginnt Wagners musikalische Karriere Mitte der 80er Jahre im Plattenladen seiner Ehefrau, wo er mit Freunden immer wieder Konzerte für verschiedene Acts eröffnet. Unter ihnen auch Vic Chesnutt.
1993 benennt sich die Band aus Copyright-Gründen von Poster Child in Lambchop (Lammkotelett, umgangssprachlich auch: Koteletten) um und nimmt an der 1994er Lollapalooza-Tour teil. Wegen der Anzahl der Mitglieder und deren beruflicher Tätigkeit - Wagner selbst gibt erst 1999 seinen Job als Holzbodenleger auf - sind Auftritte der Combo zunächst eher selten. In den ersten Jahren beschränkt sich ihre Aktivität im Wesentlichen aufs Studio.
Der Gestaltungsprozess ihrer Stücke hält sich dabei an keine fixen Regeln. Meistens stellt Wagner ein grobes Gerüst vor, an dem herumgebastelt wird. Wer gerade zur Verfügung steht, leistet einen Beitrag, Aufnahmen stellen eher eine Bestandsaufnahme als ein fertiges Produkt dar. Ihre Musik deckt dadurch ein breites Spektrum ab. Sind Lambchop mit ihren ersten Veröffentlichungen noch im Alt-Country-Bereich angesiedelt, bringen sie ab "What Another Man Spills" (1998) immer wieder neue Elemente ein, von Disco über Soul bis zu orchestralen Arrangements mit Falsettostimme oder klavierbetontem Minimalismus.
Das Album "Nixon" (2000) verschafft ihnen mit 60.000 verkauften Exemplaren europäische Popularität, der Nachfolger "Is A Woman" erntet zwei Jahre später einstimmiges Lob. Die Aufmerksamkeit ist hoch genug, um die Band für einige Auftritte aus den USA zu locken.
In der Folgezeit sind Lambchop zunächst mit einer Filmmusik für den 1927 entstandenen Film "Sunrise" des deutschen Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau beschäftigt. Wagner ist zum ersten Mal seit 30 Jahren (für einige Monate) Nichtraucher und in einer überaus kreativen Phase und wählt dafür passende 15 Stücke aus seinem Fundus aus. "Aw C'mon / No You C'mon" (2004) beruht teilweise auf den Ideen der Filmmusik.
Hörenswert ist auch "Damaged" (2006), das musikalisch an das großartige "Is A Woman" anschließt. Mit "OH (Ohio)" probieren Lambchop 2008 neue Vertriebswege aus: Das Album erscheint weiterhin im Fachhandel als Langspielplatte auf Vinyl, als digitaler Download in allen einschlägigen Download-Shops sowie als Doppel-CD Deluxe. Vor allem aber wird es als Jewelbox-CD mit dem deutschen Rolling Stone ausgeliefert. Zwei große Handelsketten bannen daraufhin alle CDs der Band aus ihren Regalen.
In den folgenden Jahren widmet sich Wagner der Malerei. Eines seiner Bilder ist auf dem Cover von "Mr. M" (2012) zu sehen, eines der besten Alben der Band. Die sich außer gelegentlichen Konzerten aber rar macht. So ist "Flotus" (2016) vom Konzept her eher ein Soloprojekt Wagners, der hier sein Interesse für R'n'B und Hip Hop bekundet. Wie auch auf "This (Is What I Wanted to Tell You)" verfremdet er seine Stimme mit Autotune, was vielerorts für wenig Begeisterung sorgt.
Noch im selben Jahr dreht er den Spieß um: Statt das Zepter erneut in die Hand zu nehmen, bittet er fünf Mitglieder, jeweils ein Cover-Song auszusuchen und zu arrangieren. Das Ergebnis enthält sechs Stücke von bekannten und weniger bekannten Künstlern und erscheint als "TRIP" im November 2020. Diesmal zum Glück ohne Autotune.
© Laut
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