Graveyard
Irgendwie passen sie so gar nicht in unsere Zeitrechnung, die schwedischen Retro-Rocker von Graveyard. Alle vier Mitglieder fühlen sich musikalisch den Spätsechziger- und 70er Jahren zugetan und präsentieren auf Promofotos mit stolz geschwellter Brust ihre schön zurecht gebürsteten Rotzbremsen.
Angefangen hat der Karriereweg der Göteborger ursprünglich im Jahr 2000, als sich die semierfolgreiche Hard Rock Band Norrsken nach fünfjährigem Bestehen auflöst und die einstigen Mitglieder Joakim Nilsson (Gitarre, Stimme) und Rikard Edlund (Bass) zusammen mit dem Schlagzeuger Axel Sjöberg das Bluesrock-Projekt Albatros ins Leben rufen. Gitarrist Magnus Pelander hat keinen Bock und gründet seinerseits die Folk/Doom Schmiede Witchcraft.
Albatros ist eigentlich nicht viel mehr als ein Hobby und Zeitvertreib für das Trio, das für die nächsten fünf Jahre lieber seinen regulären Jobs nachgeht, dann aber plötzlich darauf kommt, dass sie ihre Instrument nun wesentlich besser beherrschen und man mit dem aktuellen Sound völlig unglücklich ist. Die Jungs sehen keine Möglichkeit mehr, aus Albatros etwas Zukunftsträchtiges zu machen und so beschließen sie, die Band endgültig auf Eis zu legen.
Nilsson ist mit der Ausrichtung nicht mehr glücklich: "Ich bin ein Sänger, habe bei Albatros aber nur Gitarre gespielt. Rikard Edlund ist eigentlich Bassist und hat oft Gitarre gespielt. Außerdem möchten wir einen wesentlich zünftigeren Rocksound kreieren." Die ehemalige Albatros-Mannschaft holt sich Truls Mörck als Verstärkung für Gitarre und Mikrofon ins Boot und tauft sich nun Graveyard.
Die Chemie scheint endlich zu stimmen, denn Graveyard fertigen auf schnellstem Wege ein 2-Track-Demo, spielen einige Male live in ihrer Heimat Schweden und haben schnell einen Albumvertrag mit dem dort ansässigen Undergroundlabel Transubstans Records in der Tasche. Die Songs auf der bandeigenen MySpace-Seite erreichen auch die Ohren von TeePee Records Inhaber Tony Presedo, der von dieser Mischung aus Led Zeppelin, Bob Dylan und den Rolling Stones begeistert ist und die Jungs unterstützt. Anfang 2008 erblickt das selbstbetitelte Debütalbum der Schweden endlich das Licht der Welt und erntet in der Musikpresse durchwegs gute Kritiken. Nur mit dem guten Truls Mörck ist man nicht auf einer Wellenlänge, sodass dieser gleich nach den Albumaufnahmen von Jonatan Ramm ersetzt wird.
Dass der eigenwillige Retro-Sound auch in Übersee gut ankommt merken Graveyard, als sie im Sommer 2008 zum internationalen "South By Southwest Music Festival" eingeladen werden und sogar im Rolling Stone Magazin unterkommen. In den folgenden Jahren touren Graveyard fleißig durch die Länder und treten dabei mit Bands wie Clutch oder CKY auf. Nebenbei arbeitet man bereits munter am zweiten Album und schockiert im Januar 2011 die mittlerweile große Fanschar, als sie das Signing beim Metal-Branchenriesen Nuclear Blast verkünden. Im März 2011 kommt das bereits im Vorfeld stark gehypte Zweitwerk des schwedischen Kleeblattes unter dem Namen "Hisingen Blues" in die Läden. Hisingen ist die viertgrößte Insel Schwedens und die Heimat der Graveyard-Mucker.
Die Mischung aus Folk, Rock und Psychedelic im 70er Jahre Stil funktioniert so gut, dass "Hisingen Blues" sogar in die Top 100 der deutschen Media Control Charts einzieht. Während Nuclear Blast gegen Mitte des Jahres 2011 das Debütalbum "Graveyard" noch einmal neu presst und mit verändertem Cover-Artwork aufbereitet, erfüllt sich für die Band ein absoluter Traum, da sie in ihrer Heimatstadt Göteborg als Support für Iron Maiden spielen dürfen. Das kommentiert Schlagzeuger Sjöberg mit bandtypisch trockenem Humor: "Hätte uns zu Zeiten, als wir noch rotzfreche Teenager waren, jemand gesagt, dass wir eines Tages erwachsen sein würden, Bärte hätten und eine Arena Show für Iron Maiden eröffnen werden, hätten wir das wahrscheinlich auch geglaubt. Teenager sind dumme Trottel, natürlich waren wir nicht anders."
Die Angst der Fans vor einem Sell-Out aufgrund des Nuclear Blast-Deals war jedoch völlig unbegründet. 2012 hauen Graveyard mit "Lights Out" ein Album raus, das all ihre Stärken einfängt und keinen Deut von der eingeschlagenen Soundroute abweicht. Dass der Hisingen Blues mittlerweile immer mehr Rock-Fans begeistert, ist bei der hohen Song-Qualität nur folgerichtig.
Bassist Richard Eklund verlässt die Band 2014 und gibt den Viersaiter an Truls Mörck weiter. Neu gestärkt veröffentlichen die Südschweden ein Jahr später "Innocence & Decadence" auf, das den Sound ein wenig erweitert, aber unverkennbar Graveyard bleibt. Als auch noch Schlagzeuger Axel Sjöberg in den Sack haut, sagen die Schweden vorerst auf Wiedersehen und geben im Herbst 2016 ihre Auflösung bekannt.
Und zwar für ganze vier Monate, denn Anfang 2017 sind Graveyard schon wieder da und haben mit Oskar Bergenheim einen neuen Trommler im Gepäck. In der neuen Besetzung schmeißen die Rocker im Frühsommer 2018 ihre fünfte Platte "Peace" unters Volk, die den alten Alben in nichts nachsteht. Ende 2019 touren sie gemeinsam mit Clutch gerade noch rechtzeitig durch Deutschland und Großbritannien, auch für die Tour mit Opeth Anfang 2020 reicht es noch. Wie viele andere Bands treibt die Konzertsperre in 2020 die Band zurück in den Proberaum, wo das sechste Studioalbum entsteht.
In den Silence Studios und den Don Pierre Studios trifft man sich wieder mit Produzent Don Ahlsterberg, der bereits an "Graveyard", "Hisingen Blues" und "Lights Out" beteiligt war. Gemeinsam erarbeitet man neun Songs für das Album "6", das Ende 2023 erscheint.
© Laut
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