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Für einen Meilenstein ist Skee Masks "Compro" ein extrem junges Album. Im Frühjahr 2018 machte der Münchner Bryan Müller darauf aber dennoch so viel richtig, dass ihm beinahe auf ein Anhieb ein Klassiker gelang.
Zuvor produzierte Müller bereits als SCNTST und veröffentlichte 2016 als Skee Mask sein Debütalbum "Shred", das, ganz wie der Künstlername, noch stärker mit einer Wintersportaffinität kokettierte als spätere Veröffentlichungen in Skee Masks Diskographie.
"Compro" stellt nicht nur auf musikalischer Ebene eine Ausnahmerscheinung dar, auch semantisch dokumentiert das Album eine Weiterentwicklung des Interpreten. Die Titelnamen gerieten abstrakter, scheinbar willkürliche Zahlen benannten Tracks, die nicht an die schillernde, gerne ins Discoide abdriftende House-Schule Münchens, sondern an IDM und Ambient von Aphex Twin oder Autechre andockten. Kaum nötig, zu erwähnen, dass "Compro" auf Ilian Tape seinen Platz fand, dem Label der Zenker Brothers, das den wohl kredibilsten Techno-Entwurf der bayerischen Landeshauptstadt ausformuliert.
Etwa 64 Minuten dauert "Compro", Müller schmiedet im Zuge von zwölf Tracks all das zu einer Einheit zusammen, was ihn schon davor als Producer auszeichnete: Grobkörnige Texturen, ein Gespür für eingängige und dennoch ätherische Melodien und druckvoll produzierte Beats, die einen idealen Kontrapunkt zur fortwährenden Entrücktheit bilden.
Den Anfang macht das Ambient-Stück "Cerroverb", das wahlweise einen dichten Schneesturm oder einen Frühlingsmorgen vertont und Müllers Faible für rumorende Bass-Sequenzen erstmals andeutet. Erste ruhige, verzerrte Beats bietet "Session Add" an, das im letzten Drittel noch eine szenische Boards-of-Canada-Melodie einführt – ein weiterer Blick geht gen britische Inseln.
Epigonal wirkt "Compro" aber trotzdem zu keiner Zeit: Skee Mask versteht sich auf ein unnachahmliches Sounddesign, das sich durch eine Höchstdichte an Details, ständig auf- und abebbende Elemente und einen untrüglichen Sinn für Schönheit im Wust auszeichnet. Bestes Beispiel des Albums: "Rev8617", das eine grandiose Melodie mit schleppenden Breaks verzahnt und die beiden gemeinsam gen Himmel treibt.
"50 Euro to Break Boost" schiebt einen fixeren Breakbeat gegen dubbige Chords und erschafft so einen auditiven Schwebezustand, der, ein weiteres Merkmal "Compros", von einer unnatürlichen Kühle durchzogen scheint. Noch mehr Tempo nimmt "Via Sub Mids" auf, das zeitweise fast ein gerades Beat-Schema aufweist. Auch hier stehen sich Beat und Synths dichotom, seltsam kontemplativ gegenüber, entfernte Erinnerungen an Burial drängen sich auf – natürlich ohne ausufernde Vocals, die man in Skee-Mask-Tracks für gewöhnlich vergeblich sucht.
"Soundboy Ext." grollt im Anschluss unheilvoller als das Gros der restlichen Tracks und beschleunigt die omnipräsenten Breaks, sodass erstmals Drum'n'Bass-Assoziationen entstehen. Mit "Dial 274" wartet an siebter Stelle der unbestrittene Trip des Albums. Ein Clubtrack in moderater Geschwindigkeit, mit rollender Motorrad-Bassline, Glocken wie aus der Seilbahn, aggressiven Störgeräuschen und einer der schönsten Snaredrums dieses Jahrhunderts.
Nach dem mäandernden Ambient-Interlude "Vli" spinnt mit "Flyby Vfr" eines der weiteren großen Highlights seine raumgreifenden Drum'n'Bass-Fäden. Hier greifen ausnahmsweise alle Bestandteile harmonisch ineinander: Ein Beat, wie ihn ein Jazzdrummer kaum geschmeidiger hinbekäme, gezähmte Synth-Tupfer und eine immer wieder wohlig aufflackernde Bassspur.
Auch Humor – oder sollte man besser sagen: Abneigung – hat auf "Compro" kurz vor knapp doch noch seinen Platz gefunden. Auf "Muk FM" gibt Müller Hörer*innen bayerischen Formatradios und ihre Leidenschaft für Bruno Mars, Stones oder Lady Gaga der Lächerlichkeit preis, um dann zum perfekten Moment mit einer wuchtigen Kick dazwischenzugrätschen. Der Track selbst erinnert nach dem Intro mit seiner peniblen Abmischung ein wenig an Lanark Artefax' Evergreen "Touch Absence" von 2017 und bewegt sich definitiv auf Augenhöhe.
Mit "Kozmic Flush" und "Calimance (Delay Mix)", das passend betitelt wurde und für ein hallendes Ende steht, geht ein Album mit vielen Höhen und keinen Tiefen zuneige. Ein Album, das vorwiegend im reflektierten Modus Operandi überwältigt und nicht im Chaos versinkt.
Skee Mask hat mit "Compro" definitiv keine Weltneuheit abgeliefert. Vielmehr hat es sich in die Musikgeschichte eingeschrieben, weil es Atmosphäre über Funktionalität, schwindelerregend gute Produktionsfähigkeiten über künstlerische Beliebigkeit und das Arrangieren von Genre-Versatzstücken – Müller hat seine Wurzeln eigentlich im Hip Hop bzw. Beatmaker-Bereich – über die reine Lehre stellt.
Isolation ist bei allem Eklektizismus trotzdem Trumpf. "Compro" dürfte wohl kaum als Album für den Club gedacht gewesen sein, mehr als bereinigende Home-Listening-Erfahrung, die Brücken in die Vergangenheit nutzt, um aus dieser einen zeit- wie raumlosen Status Quo zu erschaffen.
© Laut
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Bryan Müller, Composer - Skee Mask, MainArtist
(C) 2018 Ilian Tape (P) 2018 Ilian Tape
Bryan Müller, Composer - Skee Mask, MainArtist
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Bryan Müller, Composer - Skee Mask, MainArtist
(C) 2018 Ilian Tape (P) 2018 Ilian Tape
Albumbeschreibung
Für einen Meilenstein ist Skee Masks "Compro" ein extrem junges Album. Im Frühjahr 2018 machte der Münchner Bryan Müller darauf aber dennoch so viel richtig, dass ihm beinahe auf ein Anhieb ein Klassiker gelang.
Zuvor produzierte Müller bereits als SCNTST und veröffentlichte 2016 als Skee Mask sein Debütalbum "Shred", das, ganz wie der Künstlername, noch stärker mit einer Wintersportaffinität kokettierte als spätere Veröffentlichungen in Skee Masks Diskographie.
"Compro" stellt nicht nur auf musikalischer Ebene eine Ausnahmerscheinung dar, auch semantisch dokumentiert das Album eine Weiterentwicklung des Interpreten. Die Titelnamen gerieten abstrakter, scheinbar willkürliche Zahlen benannten Tracks, die nicht an die schillernde, gerne ins Discoide abdriftende House-Schule Münchens, sondern an IDM und Ambient von Aphex Twin oder Autechre andockten. Kaum nötig, zu erwähnen, dass "Compro" auf Ilian Tape seinen Platz fand, dem Label der Zenker Brothers, das den wohl kredibilsten Techno-Entwurf der bayerischen Landeshauptstadt ausformuliert.
Etwa 64 Minuten dauert "Compro", Müller schmiedet im Zuge von zwölf Tracks all das zu einer Einheit zusammen, was ihn schon davor als Producer auszeichnete: Grobkörnige Texturen, ein Gespür für eingängige und dennoch ätherische Melodien und druckvoll produzierte Beats, die einen idealen Kontrapunkt zur fortwährenden Entrücktheit bilden.
Den Anfang macht das Ambient-Stück "Cerroverb", das wahlweise einen dichten Schneesturm oder einen Frühlingsmorgen vertont und Müllers Faible für rumorende Bass-Sequenzen erstmals andeutet. Erste ruhige, verzerrte Beats bietet "Session Add" an, das im letzten Drittel noch eine szenische Boards-of-Canada-Melodie einführt – ein weiterer Blick geht gen britische Inseln.
Epigonal wirkt "Compro" aber trotzdem zu keiner Zeit: Skee Mask versteht sich auf ein unnachahmliches Sounddesign, das sich durch eine Höchstdichte an Details, ständig auf- und abebbende Elemente und einen untrüglichen Sinn für Schönheit im Wust auszeichnet. Bestes Beispiel des Albums: "Rev8617", das eine grandiose Melodie mit schleppenden Breaks verzahnt und die beiden gemeinsam gen Himmel treibt.
"50 Euro to Break Boost" schiebt einen fixeren Breakbeat gegen dubbige Chords und erschafft so einen auditiven Schwebezustand, der, ein weiteres Merkmal "Compros", von einer unnatürlichen Kühle durchzogen scheint. Noch mehr Tempo nimmt "Via Sub Mids" auf, das zeitweise fast ein gerades Beat-Schema aufweist. Auch hier stehen sich Beat und Synths dichotom, seltsam kontemplativ gegenüber, entfernte Erinnerungen an Burial drängen sich auf – natürlich ohne ausufernde Vocals, die man in Skee-Mask-Tracks für gewöhnlich vergeblich sucht.
"Soundboy Ext." grollt im Anschluss unheilvoller als das Gros der restlichen Tracks und beschleunigt die omnipräsenten Breaks, sodass erstmals Drum'n'Bass-Assoziationen entstehen. Mit "Dial 274" wartet an siebter Stelle der unbestrittene Trip des Albums. Ein Clubtrack in moderater Geschwindigkeit, mit rollender Motorrad-Bassline, Glocken wie aus der Seilbahn, aggressiven Störgeräuschen und einer der schönsten Snaredrums dieses Jahrhunderts.
Nach dem mäandernden Ambient-Interlude "Vli" spinnt mit "Flyby Vfr" eines der weiteren großen Highlights seine raumgreifenden Drum'n'Bass-Fäden. Hier greifen ausnahmsweise alle Bestandteile harmonisch ineinander: Ein Beat, wie ihn ein Jazzdrummer kaum geschmeidiger hinbekäme, gezähmte Synth-Tupfer und eine immer wieder wohlig aufflackernde Bassspur.
Auch Humor – oder sollte man besser sagen: Abneigung – hat auf "Compro" kurz vor knapp doch noch seinen Platz gefunden. Auf "Muk FM" gibt Müller Hörer*innen bayerischen Formatradios und ihre Leidenschaft für Bruno Mars, Stones oder Lady Gaga der Lächerlichkeit preis, um dann zum perfekten Moment mit einer wuchtigen Kick dazwischenzugrätschen. Der Track selbst erinnert nach dem Intro mit seiner peniblen Abmischung ein wenig an Lanark Artefax' Evergreen "Touch Absence" von 2017 und bewegt sich definitiv auf Augenhöhe.
Mit "Kozmic Flush" und "Calimance (Delay Mix)", das passend betitelt wurde und für ein hallendes Ende steht, geht ein Album mit vielen Höhen und keinen Tiefen zuneige. Ein Album, das vorwiegend im reflektierten Modus Operandi überwältigt und nicht im Chaos versinkt.
Skee Mask hat mit "Compro" definitiv keine Weltneuheit abgeliefert. Vielmehr hat es sich in die Musikgeschichte eingeschrieben, weil es Atmosphäre über Funktionalität, schwindelerregend gute Produktionsfähigkeiten über künstlerische Beliebigkeit und das Arrangieren von Genre-Versatzstücken – Müller hat seine Wurzeln eigentlich im Hip Hop bzw. Beatmaker-Bereich – über die reine Lehre stellt.
Isolation ist bei allem Eklektizismus trotzdem Trumpf. "Compro" dürfte wohl kaum als Album für den Club gedacht gewesen sein, mehr als bereinigende Home-Listening-Erfahrung, die Brücken in die Vergangenheit nutzt, um aus dieser einen zeit- wie raumlosen Status Quo zu erschaffen.
© Laut
Informationen zu dem Album
- 1 Disc(s) - 12 Track(s)
- Gesamte Laufzeit: 01:04:53
- Künstler: Skee Mask
- Komponist: Bryan Müller
- Label: Ilian Tape
- Genre: Electronic Techno
(C) 2018 Ilian Tape (P) 2018 Ilian Tape
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