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Adeva

"Es geht nur drum, wen du kennst. Wie du jemanden kennst. Wann du jemanden kennst. Ich wurde zu Publicity-Zwecken gefragt, ob ich nicht vorgeben könnte, irgendwo betrunken umzukippen. Aber ich war in meinem Leben nie betrunken. Ich wurde aufgefordert, mit Leuten zu schlafen ... Nein! Das mach ich nicht. - Als dann welche meinten, 'oh, das ist doch nur 'Teil' des Musikbusiness' ... da war ich dafür nicht das richtige Mädchen. Dafür nicht. Mach ich nicht! Wenn mein Talent mich nicht dahin tragen kann, wo ich hin möchte, dann: hör ich auf. Und ich hörte auf." Adeva ist heute Lehrerin für Acht- bis Elf-Jährige und kommentiert den Berufswechsel in einem ihrer raren Interviews im Black Music Archive: "Mich motiviert es, wenn Schüler zu mir sagen. 'Ach, jetzt hab ich's gecheckt. Jetzt versteh ich's.' - Ich mach das nicht fürs Geld. Sondern weil ich Kinder liebe." - Geboren am 13. Dezember 1960 in North Carolina, ziehen ihre Eltern in ihren ersten Krabbelmonaten an die US-Ostküste nach Paterson in New Jersey. Dort integriert der Chor der Canaan-Baptistenkirche sie beizeiten. Eine Bindung, für die sie ihrer Mama Mary Daniels zeitlebens dankbar ist. Als sie zwölf ist, fragt der Chorleiter, ob sich jemand freiwillig für eine Solo-Einlage melden würde. Adeva, damals Patricia ('Trish') Daniels, hebt mutig die Hand. Es ist 1973, Whitney Houston erhält von ihrer singenden Mutter Musikunterricht, (die jüngere) Janet Jackson steht ab 1974 mit ihren Geschwistern auf der Bühne. Für die Teenagerin Trish soll's noch eine Weile dauern, bis sie ins große Rampenlicht gerät. Für den ersten Auftritt erntet sie vor allem den Stolz ihrer Eltern. "Ich hab zwar nicht geglaubt, dass ich das wirklich tun kann, aber ich hob meine Hand, weil ich es liebte zu singen", erzählt sie dem Black Music Archive. - Den ersten Solo-Auftritt bestreitet sie mit einer Gospel-Nummer. Ihre Freunde auf der Highschool nennen sie 'Miss Diva'. Irgendwann kündigt sie jemand bei einer Veranstaltung als "eine Diva" an und sie übernimmt es: "A diva!". "Ich wollte dem irgendwie einen Pfiff geben, und buchstabierte es A-D-E-V-A. Aber das war lange bevor ich offiziell irgendwo vorsang." - Später wird sie selbst Gesangslehrerin eines Kirchenchors. Außerdem jobbt sie als Gruppenleiterin von Jugendlagern. 1980 wird sie das erste Mal Mutter. Parris kommt zur Welt - "mein bester Freund. Wir wuchsen zusammen auf. Ich hab ihn mit 19 gekriegt." Trotz der frühen Mutterrolle gelingt ihr ein College-Abschluss in den Fächern Psychologie und Musikpädagogik. Im zwölf Autostunden entfernten Chicago sprießen in den späten 70ern, frühen 80ern die Wurzeln der House Music, und Trish schließt früh Bekanntschaft mit Frankie Knuckles, dem DJ-Pionier dieser Strömung. Sie liebt nicht nur Gospel, sondern auch das Singen von House. In ihren frühen Twen-Jahren weiß sie noch nicht, dass sie dem Genre ihren Stempel einprägen wird. "Eine Menge Leute verwechseln Housemusic mit Dancemusic. Aber Housemusic hat seine Ursprünge in Chicago", stellt Patricia vor der Kamera des BMA klar. House-Gesang saugt die Blue Notes des Soul auf. Jedenfalls in ihrer Lesart. "Was Frankie Knuckles tat, war die Brücke", so DJ Tony Humphries aus Brooklyn gegenüber der Red Bull Academy. "Was er tat, hatte das Ungeschliffene, Kantige Chicagos, aber auch das musikalische Feeling von New York. Weil er an beiden Orten lebte und zwischen beiden Städten pendelte." - Trish wird fürs blutjunge Genre Session- und Background-Sängerin im Raum New Jersey. "Nun, ich hab nie dran gedacht das zu verfolgen, professionell zu singen. Bis mein Ex-Boyfriend mir einen Kumpel vorstellte, der in einer Produktionsfirma in Paterson anfing, und die hieß Smack Productions. Der Inhaber des Labels hieß Michael Cameron, und der veranstaltete Vorsing-Termine. Mein Ex-Freund schleppte mich dorthin und ermutigte mich, 'Du kannst das. You can do it. Nun mach schon.' Ich war skeptisch, fragte, 'Ist das eine wirkliche Produktionsfirma oder sind das einfach Leute, die Geld machen?'", erinnert sie sich. "Sie fragten mich 'Was möchtest du denn singen?' - Ich meinte, 'ich sing alles. Ich komm von der Kirche. Also, wie wär's mit einem Kirchenlied?' Also sang ich eins. Und Mike Cameron rief 'Stop! Stop! Alle aufhören!' - Ich dachte, okay, dem hat's nicht gefallen, denn sein Gesichtsausdruck wirkte voller Enttäuschung", so schildert es Adeva im Podcast RMN. "Ich stand da also, unterbrochen beim Singen, und als er sagte 'Alle raus hier! Das Vorsingen ist vorbei', ging ich. Und dann schaute er mich an: 'Außer du!' (...) Und dann sang ich noch 'Respect', und er meinte, 'OK, Vorsingen vorbei, wir haben die Passende gefunden', and the rest is history." "Während des Vorsingens fragte Cameron (...), ob ich Club-Songs singen könnte. Ich erwiderte, 'natürlich kann ich Club-Songs singen!' Aber zu der Zeit wusste ich nichts von Club", gibt die Goldkehle im Magazin 'Blues & Soul' zu. "Ich bahnte mir meinen Weg, indem ich bluffte." Am ersten Track schreibt sie selbst mit, zusammen mit jenem Mike Cameron. Es geht ja auch um sie selbst: "In And Out Of My Life" (1986). Der lokale Produzent hat Verbindungen zu Easystreet, die wiederum zu Cooltempo. Die wiederum gehören zu Chrysalis, das gerade zur Hälfte an die Capitol-EMI-Gruppe verkauft wird. Von ihrem zweiten Song an singt Trish daher für ein weltweites Major-Label. Man legt ihr eben jenes "Respect" aus der Vorsing-Audition wieder vor, den Aretha-Franklin-Hit aus der Feder Otis Reddings - und sie findet einen ganz eigenen Zugang zu dem Klassiker, der ihr selbst viel Respekt abnötigt. Die übermächtige Aretha ist zu dieser Zeit noch big in the business und fragt "Who's Zoomin' Who?". Die 'Queen of Soul' ebnet in diesem Moment der neuen 'Queen of House' den Weg. Der kommerzielle Erfolg mit der House-Umwandlung von "Respect" übertrifft jegliche Erwartung. Adeva legt nur subtil ihre Message in diesen Hit, möchte aber mit ihrem gesamten Auftreten was ganz Bestimmtes ausdrücken: "Ich baute mein eigenes Image darauf auf, dass junge Mädchen zu mir aufblicken und sehen konnten, dass man stark und zugleich soft sein kann." Amüsiert erläutert sie dem Black Music Archive, wie die Plattenindustrie von ihr wollte, dass sie ihr Publikum anstarre und ihm Angst einflöße. Und zwar mit ihren Augen. "Dabei hatte ich auf dem Cover des Albums dann getönte Brillengläser auf. Man sah meine Augen nicht. Trotzdem sagten mir immer wieder Leute, das Foto auf dem Cover hätte sie eingeschüchtert." Mehrere Auskopplungen aus dem Album "Adeva!" charten, zum Beispiel "Warning!", produziert vom besagten New Yorker DJ Tony Humphries. Etliche "Adeva!"-Tunes rotieren in diversen Mix-Versionen in den Clubs. Vor allem in den USA, in Holland, Großbritannien und Italien zündet Adeva vom allerersten Moment an. In Deutschland kennt man sie dann vor allem für "I Thank You". Ihr Dank ufert je nach Remix schon mal sieben Minuten lang aus, etwa im 'Love To Infinity Mix'. Selbst damit knackt sie Radio-Playlists. Fürs zweite Album gilt es, das Echo des ersten zu verarbeiten. Zum Selbstschreiben von Songs bekommt Adeva kaum mehr Gelegenheit: "Ganz viele Leute schickten uns Songs, wir hatten viele Lieder zur Auswahl, und wir pickten uns die besten raus, von denen wir überzeugt waren", erläutert sie dem Black Music Archive-Videoblog. Sie selbst hat dabei einen hohen Anspruch und geht mit viel Enthusiasmus ran. "Wenn du ein zweites Album machst, willst du's natürlich besser machen als dein erstes." Auf "Love Or Lust?" finden sich bereits drei Remixes ihres House-Idols Frankie Knuckles. Die Songs von "Adeva!" und "Love Or Lust?" performt sie auf verschiedenste Art. Zeitweise nutzt sie eine live-Band, auch Acapella-Momente geraten zu Highlights. Ihre mitreißenden Ansagen tun ihr übriges. Teils tritt sie playback mit zwei Tänzerinnen auf, etwa für TV-Shows, oder ganz House-mäßig mit einem DJ an den Turntables - je nach Kontext. Die Sache macht ihr großen Spaß. Jedoch ist sie kaum daheim, jettet um die Welt, sieht ihren kleinen Sohn kaum und hat ihr Bankkonto nicht im Blick. Ein gelegentlicher Check lässt sie stutzen. Sie reißt sich den Hintern auf, es kommt aber kaum Geld rein. Die Euphorie aus der Phase des Debütalbums klingt jäh ab. "Dann war's doch ganz anders als beim ersten Album. Wenn du nie auf die geschäftliche Seite geachtet hast, dann aber das große Geld machst, und weiter nicht auf die Business-Aspekte schaust, ziehen andere dich über den Tisch", erzählt sie in der YouTube-Doku. "Mir wurde Geld gestohlen, Millionen Dollar, weil ich mich nicht um die Tantiemen kümmerte, und ich verlor die Lust. Ich wollte nicht mehr. Einkommen verdiente ich einzig mit den Tourneen." - Als sie nach einer Anzahlung und dem Ende einer Welt-Tournee 1992 ihre restliche Gage abholen will, wird sie von einem zum anderen Mitarbeiter in ihrer Management-Agentur geschickt. Aber alle drücken sich vor der Auszahlung. Angefressen reißt sie alle Poster mit ihrem Konterfei von den Wänden des Merch-Ladens, den die Firma im Erdgeschoss hat, und beschließt: Das war's! "Du wirst da um den Finger gewickelt." - Adeva pocht auf die Auflösung ihres Platten- und Managementvertrages. Aber never say never ... Eine erste Wendung ergibt sich vier Jahre später: Frankie Knuckles, den sie seit jeher kennt, fragt sie für sein Album an, und schnell wird es ein gemeinsames: "Frankie war ekstatisch, ich war ekstatisch, und dann gingen wir zusammen auf Tour." - Die CD "Welcome To The Real World" überzeugt mittelmäßig, weckt aber das Interesse mehrerer anderer Labels, die Adeva neue Solo-Angebote unterbreiten. Sie lehnt die alle kategorisch ab. Als sie genauer nachrechnet, überlegt sie's sich dann aber anders. Denn inzwischen noch Mama von zwei kleinen Kids, Gershon und Reginald, geworden, hat sie den Lebensunterhalt für den Nachwuchs und vor allem die Highschool-Gebühren für den ältesten zu bezahlen. Aus rein finanziellen Motiven willigt sie noch einmal in eine der Label-Anfragen ein. Das Resultat "New Direction" (1997) schlägt einen unerwarteten Sound ein, mit mehr 90ies-Vibes. Es wird ein sehr schönes Album für das kleine, 1995 gegründete Londoner Electro-Plattenlabel Distinct'ive, dem sie jedoch vorwirft, nicht mit 100 Prozent Power an die Arbeit gegangen zu sein. Sie tue Dinge mit vollem Einsatz, ihr habe seitens der Firma der Biss gefehlt. Ein Beispiel: Während der asiatische Markt von Thailand bis Indonesien mit Kassetten und CDs beliefert wird, vergisst man den wichtigen deutschen Absatzmarkt doch glatt. Damals gibt es noch kaum die Möglichkeit, online zu bestellen oder von der ausländischen Existenz einer neuen CD zu erfahren. Mit einer verhängnisvollen Verzögerung liefern die Vertriebspartner Kontor und Motor Music die CDs dann Monate später doch in die deutschen Läden. Jedoch klingt der House-Boom, der 1997 noch die Charts bestimmt, 1998 bereits deutlich ab. Immerhin ein Stück daraus, "Been Around", wird trotzdem ein kleiner Erfolg. Sohn Parris steuert von dem Geld aus Mamas CD jedenfalls den Highschool-Abschluss an, macht seine Fahrprüfung und kommt eines Tages im Sommer '99 mittags nicht mehr von der Schule zurück. Für Adeva ein tiefer Einschnitt und das finale Ende ihrer Laufbahn als Studiosängerin. "Als ich Parris verlor, riss es mir alles raus. Ich wollte überhaupt nicht mehr leben. Ich wollte mit niemandem reden. Ich fiel in eine tiefe Depression. Und die Depression vertiefte sich so sehr, dass ich versuchte Suizid zu begehen. Mein Sohn war mein und alles. Er war der Grund, wieso ich all diese vielen Shows gemacht habe. Weil ich ihm das beste Leben ermöglichen wollte. Als das passierte, erinnere ich mich, wie ein Mann zu meinem Haus kam, mit dem Führerschein von meinem Sohn in der Hand, und mich fragte: 'Hat er hier gewohnt?' - und dann sagte er, 'er hatte einen Autounfall'", schildert Adeva 2020 mit erstickter Stimme dem Kanal Black Music Archive. "Ich fragte, in welchem Krankenhaus ich ihn besuchen könne, und die Antwort war nur 'I'm sorry'. Dieser Mann sagte nicht mal 'Ihr Sohn ist tot', er fasste mich nur am Handgelenk und meinte, 'I'm sorry.'" Kein Wunder also, dass es um die Sängerin mit der unglaublichen Bühnen-Ausstrahlung und ihren telegenen Tanzschritten radikal still wird: Die Rolle, in der sie bekannt wurde, kann sie sich nun selbst nicht mehr abkaufen und muss erst wieder Halt im Leben finden. Der Musik bleibt sie dennoch weiter verpflichtet, und sie ist für sie eine wesentliche Ressource. Die Nachricht vom frühen Tod ihres einstigen Mentors Frankie Knuckles stößt sie abermals in ein Tief, zeigt ihr aber auch, dass sie ihren Sound weiter aufführen muss, damit es jemand tut, denn Knuckles gilt als sowas wie der Erfinder ihres Genres. Entsprechend kann man sie seit 2015 wieder regelmäßig für Auftritte buchen, und sie gibt alles. Im Lockdown teilt sie endlich ihre Erinnerungen vor der Kamera, als das Box-Set "Ultimate Adeva" mit sämtlichen 40 Remixes von den Debüt-Tracks erscheint. Die späte, umfassende Erweiterung der 1996er-Deluxe-Ausgabe "Ultimate Adeva" findet sich als Vier-CD-Paket auf dem englischen Label Cherry Pop. Für irgendwann eines Tages hat sie sich doch noch ein neues, fünftes Album vorgenommen - eine Gospel-Platte. Bis dahin bleibt sie erst mal die 'Queen of House'. Den Titel gab sie sich zwar nie, er haftet ihr aber an. Heute nutzt sie ihn, um sich für Internet-Suchmaschinen von anderen Adevas abzugrenzen: Seifen, Haushaltstechnik, Software, IT-Headhuntern, Klamotten, Schmuck, einem Verlag, die alle so heißen, und in der Sprache Sanskrit dem Wort für 'gottesfeindlich'. Genau das könnte man der durch und durch spirituellen Lady freilich niemals vorwerfen.
© Laut

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