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Pan Sonic|Kulma

Kulma

Pan Sonic

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David Toop beschrieb in seinem Buch "Haunted Weather: Music, Silence and Memory" die Veröffentlichungen des finnischen Elektronik-Projekts Pan Sonic als "ein Manifest für die Poesie der Elektrizität". Das Unterfangen haben Mika Vainio und Ilpo Väisänen unter dem Namen Panasonic 1993 ins Leben gerufen. Wenig später stieß Sami Salo als drittes Mitglied zu den Nordlichtern hinzu, warf jedoch Mitte 1996 das Handtuch. Dazwischen erschien 1995 mit "Vakio" ein bahnbrechendes Debüt auf dem Mute-Sublabel Blast First, das mit seinen repetitiven, äußerst sparsamen technoiden Rhythmen Minimal Techno den Weg ebnete. Der Anfang 1997 veröffentlichte Zweitling "Kulma", der ohne Salo entstand, lässt sich als eine zunehmende Loslösung vom Techno betrachten.

Zu dem Zeitpunkt sorgten die Klänge der Skandinavier schon über ihre Landesgrenzen hinaus für Furore in der elektronischen Musikszene. Davon bekam auch das Elektronikunternehmen Panasonic Wind. Nach der Veröffentlichung von "Kulma" flatterte eine millionenschwere Klage ins Haus, so dass sich das Projekt letzten Endes in Pan Sonic umbenennen musste. Der Name des dritten Albums "A", das 1999 auf den Markt kam, spielte allerdings auf den fehlenden Buchstaben an. Wiederveröffentlichungen der ersten beiden Werke erschienen ebenfalls unter dem Namen Pan Sonic.

Auf rhythmische Momente muss man auch auf "Kulma" nicht verzichten, wie der Opener "Teurastamo" verdeutlicht. Nach einem langen, verzerrten Rauschen mit rotierenden Geräuschen, perkussiven Schlägen, einem pochenden Beat und noisigen Distortions bricht die Hölle los. Die Rhythmik bleibt zwar durchgängig gleich, aber wenn die Distortions bis zum Schluss ohne Gnade in alle Himmelsrichtungen lärmen, treiben die Finnen ihre tanzbaren Qualitäten wuchtig auf die Spitze. Dementsprechend profitiert der Track von Vainios Industrial- und Noise-Wurzeln und von Väisänens Vorliebe für dubbige Strukturen sowie das Interesse an Techno. Das verband beide, als sie sich Ende der 80er in der Kunst- und Technoszene Turkus kennenlernten.

Nach der gespenstischen Überleitung "Loutain" brechen die Skandinavier in "Vapina" ihren Sound auf eine funktionale, minimalistische Techno-Formel herunter. Dabei hört man zu einem furztrockenen, gleichbleibenden Beat die Maschinen vor sich hinpluckern. Hier kommt die analoge Herangehensweise der Finnen an ihre Musik besonders gut zum Tragen.

Für ihre Klänge haben sie nämlich von Jari Lehtinen ein Gerät aus modular ineinandergreifenden analogen Klanggeneratoren entwickeln lassen, das schon nach kurzer Zeit ein Standard in der elektronischen Musikszene geworden ist. Ab 1994 kam professionelles Equipment mit Mikrofonen, Verstärkern und Lautsprechern hinzu. Auf digitale Gerätschaften griffen die Nordlichter für ihre Tracks so gut wie gar nicht zurück. So vermittelt ihre Musik etwas Reines und Körperliches.

Ein weiteres Paradebeispiel für diese analoge Herangehensweise liefert "Puhdistus", wenn der Beat das Klopfen eines Herzens imitiert und noisige Soundschleifen eine bedrohliche Spannung aufbauen. Nach den elektroakustischen Frequenzen in "Jakso", die einen hörbaren Beweis darstellen, dass sich Vainio und Väisänen nicht nur mit Industrial, Noise, Dub und Techno auseinandergesetzt haben, sondern auch mit Musique concrète, begegnet man in "Murtoneste" erneut repetitiven Rhythmen. Nur klingen die weitaus bedächtiger, schleichender und subtiler als in "Teurastamo" und "Vapina". Danach haben technoide Klänge erstmal eine Weile ausgedient. Sie weichen differenzierteren Tönen, die kontinuierlich immer kälter und düsterer ausfallen.

In "Kylmamasssa" vereinfachen die Finnen ihre Musik zu einem feingliedrigen Knacken, nur um am Ende mit einem schrulligen Orgeloutro aufzuwarten. Knackende Sounds ziehen sich auch durch "Hahmo". Dabei setzen unterschwellige Geräusche dunkle Akzente, so dass der Track dem musikalischen Äquivalent zerbrechlichen Geästes gleicht. Mit diesem feingliedrigen Ansatz sollte das Projekt ab Mitte der 90er zu den Pionieren des Clicks & Cuts aufsteigen, obwohl diese experimentelle Spielart elektronischer Musik fast ausschließlich von digitalen Computer- und Laptopklängen geprägt worden ist.

"Aines" erweist sich anschließend als eine elektroakustische Spielerei, die das Duo ab der Mitte mit tiefen, fast unmerklichen Frequenzen unterlegt. "-25" tönt schließlich so kalt aus den Boxen, wie der Titel vermuten lässt, wenn pulsierende Geräusche und mysteriöse Ambient-Flächen den Track durchziehen. Verwirrung stiftet zudem noch ein weibliches Sprachsample mittendrin, so dass man sich vor dem inneren Auge in einem "Twin Peaks"-artigen Szenario wähnt, das statt in einer amerikanischen Kleinstadt in den finnischen Wäldern angesiedelt ist. Die unheimlich dichte, skandinavisch betonte Atmosphäre lässt dabei an Alec Empires 95er-Ambient-Meisterwerk "Low On Ice (The Iceland Sessions)" denken.

"Saato" baut auf einem statischen, nach und nach immer lauter werdenden Geräusch auf. Gegen Ende bricht es abrupt hat. Es folgt ein stetes Rauschen, das dem eisigen Hauch des Windes gleicht. Das Wechselspiel zwischen sehr hohen und sehr tiefen sowie sehr lauten und sehr leisen Frequenzen, das die Finnen auf den Nachfolgern noch weiter perfektioniert haben, tritt auf "Kulma" in dieser Nummer am offensichtlichsten in Erscheinung.

"Kurnutus" wartet im Anschluss mit naturhaften Geräuschen und repetitiven Klangschleifen auf, die die Grenzen zwischen elektroakustischer Musik und technoider Rhythmik auflösen. In "Rutina" fügen sich ein monotoner Beat und noisige Verzerrungen zu einem dichten rhythmischen Geflecht zusammen.

Im abschließenden "Moottori" brechen die Skandinavier schließlich mit dem Klischee des wortkargen, kühlen Finnen, mit dem Mika Vainio nie sonderlich viel anfangen konnte, wenn nach einem technoiden Beat repetitive, afrikanische Tribal-Rhythmen einsetzen. Die gehen im weiteren Verlauf mit tanzbaren Industrial-Feedbacks ein Wechselspiel ein, das mitreißender und treibender kaum ausfallen könnte. Dabei verweist das dunkle, harsche Soundbild am deutlichsten auf die Ästhetik des Industrial Technos, den das Projekt maßgeblich mitgeprägt hat.

"A" verfügt über einen ähnlichen strukturellen Rahmen, klingt jedoch sowohl minimalistischer als auch lärmender als "Kulma", so dass die Finnen das Extreme in ihrer Dynamik noch mehr ausreizen. Ihre Fühler strecken sie dabei langsam in Richtung Power Noise aus, der auf späteren Alben wie "Kesto" (2004) oder "Gravitoni" (2010) musikalisch eine noch größere Rolle spielt. Ihre technoiden, atmosphärischen und experimentellen Qualitäten kommen jedoch nie zu kurz. Den Übergang Pan Sonics von einem technoiden zu einem zunehmend experimentellen Act legt "Kulma" nur transparent offen.

Vor den Aufnahmen von "A" hatten sich Vainio und Väisänen Alan Vega von Suicide ins Boot geholt, um unter dem Kürzel VVV ein gemeinsames Album einzuspielen. Weitere Kollaborationsprojekte mit Musikern wie Charlemagne Palestine oder Merzbow sollten über die Jahre folgen.

Pan Sonic verschlug es gegen Ende der 90er ins sonnige Barcelona, Anfang der Nuller zog Vainio jedoch nach Berlin, während Väisänen in den finnischen Wäldern eine neue Heimat fand. In den Nuller Jahren pendelten die Skandinavier zunehmend zwischen den verschiedensten Einsatzgebieten hin und her, unterlegten Modeschauen mit ihren Klängen oder vertraten auch einmal in der finnischen Botschaft in London offiziell die Hochkultur ihres Landes. Demgegenüber haben sie bei ihren Live-Auftritten die Körperlichkeit ihrer Musik so ausgereizt, dass man sich von ihren Frequenzen entweder in Ekstase versetzen ließ oder instinktiv die Flucht ergriff. Mehr als diese beiden Optionen gab es nicht.

Diese Extreme spiegelte auch Mika Vainio wieder. Er schlug sich zeitlebens mit schweren Alkoholproblemen herum, was oftmals in gecancelten Gigs und regelmäßigen Totalabstürzen endete. Dennoch legte er im Laufe seiner Karriere neben Pan Sonic unter Pseudonymen wie Ø oder Philus sowie unter seinem eigenen Namen eine unerschütterliche Kreativität an den Tag. Väisänen machte Ende der 90er mit einem gemeinsamen Projekt mit Schneider TM auf sich aufmerksam, das Angel hieß. Vainios exzessiver Lebensstil hatte letzlich zur Folge, dass die Chemie des Duos nach und nach immer mehr bröckelte. Ab 2011 lagen Pan Sonic auf Eis.

Väisänen produzierte danach unter dem Pseudonym I-LP-O In Dub mehrere Alben für die österreichische Plattenfirma Mego/Editions Mego. Vainio widmete sich Ø sowie verschiedenen anderen Projekten und brachte weiter Musik unter seinem eigenen Namen heraus. Gegen Mitte der Nuller ließ er sich wegen einer neuen Liebe in Oslo nieder.

Am 12. April 2017 verunglückte Vainio während eines Frankreich-Aufenthalts tödlich. Ob er nun von einer Klippe gestürzt oder in einem Fluss ertrunken war: Über die Todesursache lässt sich bis heute nur mutmaßen. Es erschienen posthum mehrere unveröffentlichte Solo- und Live-Aufnahmen sowie Kollaborationen des Musikers. Außerdem widmete Väisänen ihm mehrere Alben. Die nahmen Bezug auf die experimentelle Ästhetik Pan Sonics.

Ein weiterer Musiker, der nicht mehr unter uns weilt, nämlich Jóhann Jóhannsson, nannte 2016 in einer Feature-Reihe für The Quietus die Veröffentlichungen der Finnen "absolute Meisterwerke elektronischer Musik, die nur nicht gleich waren". "Kulma" ragt vor allem deswegen aus dem Katalog des Projektes heraus, weil trotz aller stilistischen Brüche das Resultat homogener ausfällt als auf dem Vorgänger und den Nachfolgern. Die kargen Töne dieses Albums animieren immer noch zum stundenlangen Eintauchen, am besten per Kopfhörer. Trotzdem sollte man auch den anderen Studio-Platten der Skandinavier unbedingt Gehör schenken.

© Laut

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Kulma

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1
Teurastamo
00:07:37

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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2
Loutain
00:00:34

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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3
Vapina
00:05:45

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4
Puhdistus
00:02:51

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5
Jakso
00:01:27

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6
Murtoneste
00:06:48

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7
Kylmamasssa
00:01:52

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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8
Hahmo
00:04:02

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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9
Aines
00:05:29

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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10
-25
00:05:15

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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11
Saato
00:02:51

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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12
Kurnutus
00:03:25

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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13
Rutina
00:03:37

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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14
Moottori
00:09:48

Mika Vainio, Composer - Pan Sonic, Artist, MainArtist - Mute Song Limited, MusicPublisher - Ilpo Väisänen, Composer

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Albumbeschreibung

David Toop beschrieb in seinem Buch "Haunted Weather: Music, Silence and Memory" die Veröffentlichungen des finnischen Elektronik-Projekts Pan Sonic als "ein Manifest für die Poesie der Elektrizität". Das Unterfangen haben Mika Vainio und Ilpo Väisänen unter dem Namen Panasonic 1993 ins Leben gerufen. Wenig später stieß Sami Salo als drittes Mitglied zu den Nordlichtern hinzu, warf jedoch Mitte 1996 das Handtuch. Dazwischen erschien 1995 mit "Vakio" ein bahnbrechendes Debüt auf dem Mute-Sublabel Blast First, das mit seinen repetitiven, äußerst sparsamen technoiden Rhythmen Minimal Techno den Weg ebnete. Der Anfang 1997 veröffentlichte Zweitling "Kulma", der ohne Salo entstand, lässt sich als eine zunehmende Loslösung vom Techno betrachten.

Zu dem Zeitpunkt sorgten die Klänge der Skandinavier schon über ihre Landesgrenzen hinaus für Furore in der elektronischen Musikszene. Davon bekam auch das Elektronikunternehmen Panasonic Wind. Nach der Veröffentlichung von "Kulma" flatterte eine millionenschwere Klage ins Haus, so dass sich das Projekt letzten Endes in Pan Sonic umbenennen musste. Der Name des dritten Albums "A", das 1999 auf den Markt kam, spielte allerdings auf den fehlenden Buchstaben an. Wiederveröffentlichungen der ersten beiden Werke erschienen ebenfalls unter dem Namen Pan Sonic.

Auf rhythmische Momente muss man auch auf "Kulma" nicht verzichten, wie der Opener "Teurastamo" verdeutlicht. Nach einem langen, verzerrten Rauschen mit rotierenden Geräuschen, perkussiven Schlägen, einem pochenden Beat und noisigen Distortions bricht die Hölle los. Die Rhythmik bleibt zwar durchgängig gleich, aber wenn die Distortions bis zum Schluss ohne Gnade in alle Himmelsrichtungen lärmen, treiben die Finnen ihre tanzbaren Qualitäten wuchtig auf die Spitze. Dementsprechend profitiert der Track von Vainios Industrial- und Noise-Wurzeln und von Väisänens Vorliebe für dubbige Strukturen sowie das Interesse an Techno. Das verband beide, als sie sich Ende der 80er in der Kunst- und Technoszene Turkus kennenlernten.

Nach der gespenstischen Überleitung "Loutain" brechen die Skandinavier in "Vapina" ihren Sound auf eine funktionale, minimalistische Techno-Formel herunter. Dabei hört man zu einem furztrockenen, gleichbleibenden Beat die Maschinen vor sich hinpluckern. Hier kommt die analoge Herangehensweise der Finnen an ihre Musik besonders gut zum Tragen.

Für ihre Klänge haben sie nämlich von Jari Lehtinen ein Gerät aus modular ineinandergreifenden analogen Klanggeneratoren entwickeln lassen, das schon nach kurzer Zeit ein Standard in der elektronischen Musikszene geworden ist. Ab 1994 kam professionelles Equipment mit Mikrofonen, Verstärkern und Lautsprechern hinzu. Auf digitale Gerätschaften griffen die Nordlichter für ihre Tracks so gut wie gar nicht zurück. So vermittelt ihre Musik etwas Reines und Körperliches.

Ein weiteres Paradebeispiel für diese analoge Herangehensweise liefert "Puhdistus", wenn der Beat das Klopfen eines Herzens imitiert und noisige Soundschleifen eine bedrohliche Spannung aufbauen. Nach den elektroakustischen Frequenzen in "Jakso", die einen hörbaren Beweis darstellen, dass sich Vainio und Väisänen nicht nur mit Industrial, Noise, Dub und Techno auseinandergesetzt haben, sondern auch mit Musique concrète, begegnet man in "Murtoneste" erneut repetitiven Rhythmen. Nur klingen die weitaus bedächtiger, schleichender und subtiler als in "Teurastamo" und "Vapina". Danach haben technoide Klänge erstmal eine Weile ausgedient. Sie weichen differenzierteren Tönen, die kontinuierlich immer kälter und düsterer ausfallen.

In "Kylmamasssa" vereinfachen die Finnen ihre Musik zu einem feingliedrigen Knacken, nur um am Ende mit einem schrulligen Orgeloutro aufzuwarten. Knackende Sounds ziehen sich auch durch "Hahmo". Dabei setzen unterschwellige Geräusche dunkle Akzente, so dass der Track dem musikalischen Äquivalent zerbrechlichen Geästes gleicht. Mit diesem feingliedrigen Ansatz sollte das Projekt ab Mitte der 90er zu den Pionieren des Clicks & Cuts aufsteigen, obwohl diese experimentelle Spielart elektronischer Musik fast ausschließlich von digitalen Computer- und Laptopklängen geprägt worden ist.

"Aines" erweist sich anschließend als eine elektroakustische Spielerei, die das Duo ab der Mitte mit tiefen, fast unmerklichen Frequenzen unterlegt. "-25" tönt schließlich so kalt aus den Boxen, wie der Titel vermuten lässt, wenn pulsierende Geräusche und mysteriöse Ambient-Flächen den Track durchziehen. Verwirrung stiftet zudem noch ein weibliches Sprachsample mittendrin, so dass man sich vor dem inneren Auge in einem "Twin Peaks"-artigen Szenario wähnt, das statt in einer amerikanischen Kleinstadt in den finnischen Wäldern angesiedelt ist. Die unheimlich dichte, skandinavisch betonte Atmosphäre lässt dabei an Alec Empires 95er-Ambient-Meisterwerk "Low On Ice (The Iceland Sessions)" denken.

"Saato" baut auf einem statischen, nach und nach immer lauter werdenden Geräusch auf. Gegen Ende bricht es abrupt hat. Es folgt ein stetes Rauschen, das dem eisigen Hauch des Windes gleicht. Das Wechselspiel zwischen sehr hohen und sehr tiefen sowie sehr lauten und sehr leisen Frequenzen, das die Finnen auf den Nachfolgern noch weiter perfektioniert haben, tritt auf "Kulma" in dieser Nummer am offensichtlichsten in Erscheinung.

"Kurnutus" wartet im Anschluss mit naturhaften Geräuschen und repetitiven Klangschleifen auf, die die Grenzen zwischen elektroakustischer Musik und technoider Rhythmik auflösen. In "Rutina" fügen sich ein monotoner Beat und noisige Verzerrungen zu einem dichten rhythmischen Geflecht zusammen.

Im abschließenden "Moottori" brechen die Skandinavier schließlich mit dem Klischee des wortkargen, kühlen Finnen, mit dem Mika Vainio nie sonderlich viel anfangen konnte, wenn nach einem technoiden Beat repetitive, afrikanische Tribal-Rhythmen einsetzen. Die gehen im weiteren Verlauf mit tanzbaren Industrial-Feedbacks ein Wechselspiel ein, das mitreißender und treibender kaum ausfallen könnte. Dabei verweist das dunkle, harsche Soundbild am deutlichsten auf die Ästhetik des Industrial Technos, den das Projekt maßgeblich mitgeprägt hat.

"A" verfügt über einen ähnlichen strukturellen Rahmen, klingt jedoch sowohl minimalistischer als auch lärmender als "Kulma", so dass die Finnen das Extreme in ihrer Dynamik noch mehr ausreizen. Ihre Fühler strecken sie dabei langsam in Richtung Power Noise aus, der auf späteren Alben wie "Kesto" (2004) oder "Gravitoni" (2010) musikalisch eine noch größere Rolle spielt. Ihre technoiden, atmosphärischen und experimentellen Qualitäten kommen jedoch nie zu kurz. Den Übergang Pan Sonics von einem technoiden zu einem zunehmend experimentellen Act legt "Kulma" nur transparent offen.

Vor den Aufnahmen von "A" hatten sich Vainio und Väisänen Alan Vega von Suicide ins Boot geholt, um unter dem Kürzel VVV ein gemeinsames Album einzuspielen. Weitere Kollaborationsprojekte mit Musikern wie Charlemagne Palestine oder Merzbow sollten über die Jahre folgen.

Pan Sonic verschlug es gegen Ende der 90er ins sonnige Barcelona, Anfang der Nuller zog Vainio jedoch nach Berlin, während Väisänen in den finnischen Wäldern eine neue Heimat fand. In den Nuller Jahren pendelten die Skandinavier zunehmend zwischen den verschiedensten Einsatzgebieten hin und her, unterlegten Modeschauen mit ihren Klängen oder vertraten auch einmal in der finnischen Botschaft in London offiziell die Hochkultur ihres Landes. Demgegenüber haben sie bei ihren Live-Auftritten die Körperlichkeit ihrer Musik so ausgereizt, dass man sich von ihren Frequenzen entweder in Ekstase versetzen ließ oder instinktiv die Flucht ergriff. Mehr als diese beiden Optionen gab es nicht.

Diese Extreme spiegelte auch Mika Vainio wieder. Er schlug sich zeitlebens mit schweren Alkoholproblemen herum, was oftmals in gecancelten Gigs und regelmäßigen Totalabstürzen endete. Dennoch legte er im Laufe seiner Karriere neben Pan Sonic unter Pseudonymen wie Ø oder Philus sowie unter seinem eigenen Namen eine unerschütterliche Kreativität an den Tag. Väisänen machte Ende der 90er mit einem gemeinsamen Projekt mit Schneider TM auf sich aufmerksam, das Angel hieß. Vainios exzessiver Lebensstil hatte letzlich zur Folge, dass die Chemie des Duos nach und nach immer mehr bröckelte. Ab 2011 lagen Pan Sonic auf Eis.

Väisänen produzierte danach unter dem Pseudonym I-LP-O In Dub mehrere Alben für die österreichische Plattenfirma Mego/Editions Mego. Vainio widmete sich Ø sowie verschiedenen anderen Projekten und brachte weiter Musik unter seinem eigenen Namen heraus. Gegen Mitte der Nuller ließ er sich wegen einer neuen Liebe in Oslo nieder.

Am 12. April 2017 verunglückte Vainio während eines Frankreich-Aufenthalts tödlich. Ob er nun von einer Klippe gestürzt oder in einem Fluss ertrunken war: Über die Todesursache lässt sich bis heute nur mutmaßen. Es erschienen posthum mehrere unveröffentlichte Solo- und Live-Aufnahmen sowie Kollaborationen des Musikers. Außerdem widmete Väisänen ihm mehrere Alben. Die nahmen Bezug auf die experimentelle Ästhetik Pan Sonics.

Ein weiterer Musiker, der nicht mehr unter uns weilt, nämlich Jóhann Jóhannsson, nannte 2016 in einer Feature-Reihe für The Quietus die Veröffentlichungen der Finnen "absolute Meisterwerke elektronischer Musik, die nur nicht gleich waren". "Kulma" ragt vor allem deswegen aus dem Katalog des Projektes heraus, weil trotz aller stilistischen Brüche das Resultat homogener ausfällt als auf dem Vorgänger und den Nachfolgern. Die kargen Töne dieses Albums animieren immer noch zum stundenlangen Eintauchen, am besten per Kopfhörer. Trotzdem sollte man auch den anderen Studio-Platten der Skandinavier unbedingt Gehör schenken.

© Laut

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