Johnny Winter
Lange weißblonde Haare, ein schmächtiger Körper und ein Teufel an der Gitarre - Johnny Winter spielte seit Ende der 60er Jahre energiegeladenen Blues-Rock und ist neben Stevie Ray Vaughan einer seiner inspiriertesten Interpreten. Winter kommt 1944 in der texanischen Kleinstadt Beaumont als Albino auf die Welt, was seine helle Haar- und Hautfarbe erklärt. Schon als Zehnjähriger steht er mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Edgar auf der Bühne und gibt Songs der Everly Brothers zum Besten. Zwei Jahre später nehmen sie ein gemeinsames Album auf, doch bis auf gelegentliche Zusammenarbeiten geht man in der Folge getrennte musikalische Wege.
1962 besuchen die Geschwister ein Konzert von B.B. King. Sie sind die einzigen Weißen im Lokal, und Johnny beschließt, mit seinem großen Helden spielen zu wollen. "Ich war um die 17, und B.B. hatte kein Bock, mich auf die Bühne zu lassen. Also habe ich Leute gebeten, zu ihm rüberzugehen und ihm zu sagen, mich spielen zu lassen. Schließlich hat er sich wohl gedacht, dass ich keinen großen Schaden anrichten würde. Er hat mir seine Gitarre gegeben, ich habe losgelegt und am Ende Standing Ovations gekriegt. Er hat sich seine Gitarre einfach wieder geschnappt", erinnert sich Winter auf seiner Webseite.
1968 erscheint im Rolling Stone ein Artikel, der ihn als Wunderkind aus Texas beschreibt. Verschiedene Labels reißen sich um ihn, schließlich erhält Columbia mit einem großzügigen Vertrag den Zuschlag. Winter bedankt sich, indem er 1969 ein energiegeladenes Debüt liefert ("Johnny Winter"), das Platz 24 in den Charts erreicht.
Bis Mitte der 70er Jahre folgt Platte auf Tour auf Platte. Kommerziell ist Winter erfolgreich, doch Drogen- und Alkoholsucht sowie lebensbedrohliche Depressionen führen dazu, dass er 1973 seinen Plattenvertrag verliert. In den folgenden Jahrzehnten wird er immer wieder bei neuen, meist kleinen Labels unterkommen.
Winters zweiter Frühling beginnt Ende der 70er Jahre, als er den in Vergessenheit geratenen Muddy Waters fördert. Er produziert vier Alben der alternden Blues-Legende ("Hard Again", 1977, "I'm Ready", 1978, "Muddy Mississippi Waters - Live", 1979, "King Bee", 1980), drei davon erhalten einen Grammy. Waters ist so gerührt, dass es Winter fortan als seinen Adoptivsohn bezeichnet.
Ab den 80er Jahren widmet sich Winter eher dem traditionellen Blues, seit den 90er Jahren ist er vor allem als Livekünstler tätig. 2011 erklärt Manager Paul Nelson, dass der Gitarrist nach 40 Jahren nicht mehr drogensüchtig sei – er habe ohne dessen Wissen die tägliche Methadon-Dosis nach und nach verringert.
Im selben Jahr erscheint mit "Roots" ein Kollabo-Album, auf dem u.a. Warren Haynes, Derek Trucks und Edgar Winter mitwirken. "Zu sagen, er sei wieder da, wäre falsch. Er war nie weg. Er ist besser als jemals zuvor", ist ohne falsche Bescheidenheit auf der offiziellen Webseite zu erfahren.
Es geht aufwärts, für September 2014 kündigt er ein neues Album mit dem Titel "Step Back" an. Doch leider stirbt Winter am Juli 2014 kurz nach Fertigstellung in einem Züricher Hotelzimmer, wohl an den Spätfolgen seines exzessiven Lebensstils.
Immerhin tat er zuletzt das, was er sein Leben lang getan hat - auf Tour sein. Und er verabschiedet sich mit einem Album, auf dem große Namen wie Eric Clapton, Dr. John, Billy Gibbons oder Ben Harper ihm Tribut zollen. Fest steht: Johnny Winter war ein ganz Großer.
Zu Ostern 2022 liefern sein Bruder Edgar nebst Künstlern von Joe Bonamassa bis Ringo Starr das Gedenkalbum "Brother Johnny" ab. Das All Star-Kollektiv covert sich durch Johnnys Vermächtnis. So erklingt zum Beispiel "Jumpin' Jack Flash", Single von 1971 und auch auf dem damaligen Live-Album enthalten, oder "Stranger" vom zehnten Studioalbum "John Dawson Winter III" (1974). Die Todesursache Winters bleibt ungeklärt.
© Laut
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