Fleetwood Mac
Bands, die nach 35 Jahren im Show-Business wieder auf der Bühne erscheinen und sagen: "Schaut her, wir sind noch da. Wir machen jetzt 18 neue Songs und touren durch 40 Städte", die kann man an einer Hand abzählen. Für Fleetwood Mac ist ein solches Verhalten jedoch fast charakteristisch. Mehrmals stand die Truppe kurz vor der Auflösung und feierte danach regelmäßig große Erfolge.
1967 lernen sich Mick Fleetwood, John McVie und Peter Green bei The Bluesbreakers kennen. Sie gründen die Blues-Band Peter Green's Fleetwood Mac. Obwohl die Combo noch in den Kinderschuhen steckt, wechselt das Line-Up ständig. Zahlreiche Musiker haben seit der Gründung bei Fleetwood Mac gespielt, die einzigen konstanten Mitglieder sind die namensgebenden Mike Fleetwood und John McVie.
Mit Slide-Gitarrist Jeremy Spencer veröffentlichen sie 1967 "Fleetwood Mac". Das Debüt bleibt 13 Monate in den UK-Charts und beschert der Band ihren ersten Nummer-eins-Hit "Albatross". Mit den Rock-Alben "Then Play On" und "English Rose" beenden Fleetwood Mac Ende der 60er Jahre ihre Karriere als Blues-Band.
Gleichzeitig kommt mit Christine Perfect die erste Frau in die Reihen. Die Sängerin und Keyboardspielerin heiratet kurz darauf den Bassisten John McVie. Nach ersten Erfolgen geraten Fleetwood Mac zu dieser Zeit immer tiefer in die Krise. Peter Green, das Rückgrat der Band, verträgt den übermäßigen Konsum halluzinogener Drogen nicht und trennt sich schließlich von Fleetwood Mac.
Nach seinem Weggang veröffentlichen Fleetwood Mac 1970 das mäßig erfolgreiche Rock-Album "Kilin House". Als auch Jeremy Spencer 1971 während einer Tour durch die USA plötzlich verschwindet und bei der Sekte "Children Of God" wieder auftaucht, scheint die Band am Ende.
Doch vor allem Drummer Mick Fleetwood motiviert seine Kollegen immer wieder zum Weitermachen. 1971 steigern sie mit dem pop-orientierten Album "Future Games" und dem amerikanischen Gitarristen Bob Welch ihre Bekanntheit in den USA.
Trotz andauernder Umbesetzungen büßt die Band nichts von ihrer Produktivität ein. Nach dem Album "Bare Trees" fliegt Danny Kirwan, ihn ersetzen Gitarrist Bob Weston und Dave Walker. Bereits nach zwei Alben - "Penguin" und "Mystery To Me" - verlassen diese Musiker die Band aber bereits wieder.
1974 vernachlässigen Fleetwood Mac wegen ständiger Streitereien ihre Live-Auftritte in den USA. Manager Clifford Davis stellt daraufhin kurzerhand ein paar Musiker zusammen und nennt diese - tadaa! - Fleetwood Mac. Amerikanische Fans bekommen in den Konzerten nur ein Fake der Band zu sehen. Die echten Fleetwood Mac gewinnen nach langen Anstrengungen einen Prozess gegen Clifford Davis' Management.
Angesichts dieses Streits wirkt der Name der nächsten Platte bezeichnend: "Heroes Are Hard To Find". Mit neuer Energie zieht die Band 1974 nach Kalifornien um und trennt sich von Bob Welch (er nimmt sich 2012 im Alter von 66 Jahren das Leben).
Damit beginnt die erfolgreichste Phase. Die charismatische Sängerin Stevie Nicks und der Gitarrist Lindsey Buckingham bringen neuen Aufwind. Mit dem nächsten Album "Fleetwood Mac" landet die Truppe zum ersten Mal echten kommerziellen Erfolg. Singles wie "Over My Head", "Rhiannon", and "Say You Love Me" erzielen permanent hohe Chartnotierungen.
Trotz des Erfolgs sieht es hinter den Kulissen düster aus. Christine und John McVie trennen sich, Stevie Nicks und Lindsey Buckingham beenden ihre Affäre, Mick Fleetwood lässt sich von seiner Frau scheiden. In der Musik dieser Zeit verarbeiten fünf talentierte Musiker ihre privaten Probleme: "Rumours" stellt 1977 den Erfolg sämtlicher Vorgänger in den Schatten und avanciert mit 15 Million verkauften Stück zu einer der erfolgreichsten Platten der Musikgeschichte. "Go Your Own Way", "Don't Stop" und "You Make Lovin Fun" gehören zu den Evergreens der Popmusik.
Nach einer siebenmonatigen Tour kehren Fleetwood Mac 1979 für das Album "Tusk" ins Studio zurück. Sie wiederholen den Erfolg von "Rumours" zwar nicht, erreichen aber immerhin mehrfaches Platin. Nach fast 15 Jahren entscheiden sich die Künstler, eine Zeit lang getrennte Wege zu gehen. Den größten Erfolg verbucht dabei Stevie Nicks mit ihrer Solo-Platte "Bella Donna".
Nach einer Reunion erscheint 1982 "Mirage" und bekommt trotz der Hit-Singles "Hold Me" und "Gipsy" nur mittelmäßige Kritiken. "Tango In The Night" (1987) gerät zur Abschiedsvorstellung von Lindsey Buckingham. Er wird nach seinem Ausscheiden von Gitarrist Billy Burnette und Rick Vito ersetzt.
Die erfolgreichen Zeiten der Band scheinen nun endgültig vorbei zu sein. Immer wieder drängen interne Querelen die Musik in den Hintergrund. "Behind The Mask" ist 1990 das letzte Album, an dem Stevie Nicks aktiv mitwirkt. 1993 spielen Fleetwood Mac bei der Amtseinführung von Bill Clinton, der "Don't Stop" als Motto seines Wahlkampfes benutzte, zum letzten Mal im klassischen Line-Up (Fleetwood, McVies, Buckingham und Nicks).
Auch Frontfrau Stevie Nicks verlässt 1993 die Band. Im folgenden Jahr gehen Fleetwood Mac mit Bekka Bramlett und Dave Mason auf Tour und veröffentlichen "Time". 1998 werden die dienstältesten Musiker von Fleetwood Mac in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.
Nach über 35 Jahren wegweisender Rockmusik glaubt niemand mehr an ein Comeback. Doch Fleetwood Mac überraschen einmal wieder sich selbst und ihre zahlreichen Fans, indem sie für April 2003 ein neues Album samt Tour ankündigen. So kommt es, dass Stevie Nicks, Mick Fleetwood, Lindsey Buckingham und John McVie plötzlich wieder zusammen auf der Bühne stehen.
Im September 2004 erscheint eine DVD vom Mitschnitt eines Tour-Konzerts im Fleet Center in Boston. Auch Christine McVie meldet sich in diesem Jahr wieder zu Wort. Sinniger Titel ihrer Solo-Scheibe: "In The Meantime". Ab 2009 treten Fleetwood Mac wieder live auf, zunächst ohne Christine McVie, ab 2014 in der klassischen "Rumours"-Besetzung. Im April 2018 fliegt Lindsey Buckingham aus der Band, bei den anstehenden Konzerten im Sommer sollen Mike Campbell (Tom Petty & The Heartbreakers) und Neil Finn (Crowded House) ihn ersetzen.
Anfang 2020 initiiert Peter Greens alter Homie Mick Fleetwood ein Tribute-Ständchen für das Gründungsmitglied mit Riesen-Staraufgebot im Londoner Palladium. Wenige Tage nach dem Konzert am 26. Februar 2020 schließt die Location wegen des Lockdowns für lange Zeit. So kann Mick seinen Freund noch zu Lebzeiten ehren. Green stirbt im Juli 2020.
Beim Tribute-Konzert holt Christine McVie nach, dass sie beim allerersten Album 1968 noch nicht dabei war und übernimmt den Gesang im Song "Looking For Somebody" aus dem Fleetwood Mac-Debüt. Es begleitet sie Ricky Peterson an der Hammond-Orgel, ein Jazzer, der sich gerne mit der WDR-Big Band herumtreibt, sein Handwerk im Fleetwood Mac-Kontext versteht. Er stellt eine Bereicherung bei der gesamten Performance dar. Der Mitschnitt aller 22 Stücke erscheint auf "Mick Fleetwood and Friends Celebrate The Music of Peter Green and The Early Years Of Fleetwood Mac" (2021). John McVie fehlt. Dafür, und das ist eine kleine Sensation, ist der 1971 ausgestiegene Jeremy Spencer mit an Bord.
Nach Buckinghams Abgang und Peter Greens Tod scheint die Zeit für ein neues Kapitel gekommen. Der letzte Hit der Band, "Peacekeeper" (2003), stammte aus der Feder von Buckingham. Allerdings sind die Neumitglieder Mike Campbell und Neil Finn gute Songwriter. Dank eines TikTok-Hypes landet der "Rumours"-Song "Dreams" über 40 Jahre nach dem Release wieder in den Charts. Ende November 2022 stirbt Christine McVie, die 2014 in die Band zurückgekehrt war, im Alter von 79 Jahren nach kurzer Krankheit.
© Laut
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