Glenn Gould
Es gibt die, die pro-Gould sind und jene, die anti-Gould sind. Dazwischen gibt es nichts. Diese Persönlichkeit, die fasziniert und wütend macht und sowohl Bewunderung als auch Empörung hervorruft, lässt niemanden kalt. Und für Pianisten, gibt es ein „Vor-Gould“, den Gould selbst, und ein „Nach-Gould“. Das breite Publikum kennt ihn für seine Interpretationen (im wahrsten Sinne des Wortes) von Bach, aber auch für seine Exzentrik und für seine Eigenheit, während seiner Aufnahmen zu murmeln oder zu summen, die ihnen einen gouldesken Touch verleihen, den auch die Tontechniker nicht zu überdecken vermögen.
Das Talent des 1932 in Toronto geborenen und 50 Jahre später ebendort gestorbenen Glenn Goulds wurde früh erkannt, auch wenn er nie ein Wunderkind im klassischen Sinne war. Im Alter von zwölf Jahren verließ er das Konservatorium von Toronto mit höchster Auszeichnung und begann schon bald Konzerte zu geben. Bemerkenswert ist, dass er im Laufe seines Lebens nicht mehr als 200 Konzert gab und sich schon im Alter von 32 Jahren vollständig aus dem öffentlichen Leben zurückzog und sich stattdessen auf Aufnahmen und das Radio, anders ausgedrückt das Mikrophon, konzentrierte. Damit hatte er zwischen seinem ersten Konzert 1945 oder 46 und seinen letzten Auftritten 1964 Zeit, genügend Dirigenten (und nicht zuletzt Bernstein, Szell) einige graue Haare zu bescheren, die unter seinen ganz persönlichen Ansichten von Tempi, Atemzügen, Artikulationen und den Überraschungen aller Art zu leiden hatten. Und von seinem persönlichen Stuhl, den er stets bei sich trug und der genau 14 Zoll (35 Zentimeter, 15 Zentimeter weniger als die üblichen Klavierstühle ) maß, wollen wir gar nicht erst anfangen. Um nicht mit den Knien an die Nase zu stoßen, hob er manchmal das Klavier an... Nicht sehr beruhigend für Dirigenten, die Orchester oder die Veranstalter. Dabei muss erwähnt werden, dass solche Exzentrizitäten die Gefahr einer Annulierung bergen und die nordamerikanischen Orchester, die privat und gemeinnützig entstanden und nicht vom Staat subventioniert sind, auf die Einnahmen durch Konzerte angewiesen waren.
Doch die Dirigenten, Orchester und Veranstalter sollten schon bald beruhigt sein, da Gould 1964 im Alter von nur 32 Jahren beschloss, sich vom öffentlichen Konzertleben zu verabschieden. Wie in vielen Artikeln und Büchern über ihn zu lesen war, waren Konzerte für ihn nicht nur ein Anachronismus, sondern eine "Kraft des Bösen“. Der Institution wohnte für Gould stets ein Wettbewerb und konkurrierender Kommerz inne und die Aufmerksamkeit galt weniger dem Musiker oder seiner Musik, sondern dem Spektakel drumherum - Zirkusspiele, irgendwie. Detailliert kann man seine Doktrin nachlesen in dem GPAADAK (Gould Plan for the Abolition of Applause and Demonstrations of All Kinds), dem „Plan für die Abschaffung von Demonstrationen aller Art“.
Von da an, widmet sich Gould voll und ganz der Aufnahme im Studio. Sein außergewöhnliches Spiel, mit teilweise kühnen Tempi im Vergleich zu den mehr oder weniger üblichen Interpretationen, seine Artikulationen und Phrasierungen, die vom Staccato bis zum Legato reichen – diese Abwechslung ließ erschaudern und rief Begeisterung hervor, auch bei ein und demselben Zuhörer. Das heißt, es ist unmöglich, Gould in eine Schublade zu stecken oder ihn mit Etiketten zu versehen (außer vielleicht dem Etikett „exzentrisch“).
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