Chris Brown
Weniger Talent und einflussreiche Freunde hätten Chris Brown wohl schon längst die Karriere gekostet. Statt auf Lebzeiten von der Musikindustrie geächtet zu werden, empfängt der Sänger 2012 aber den Grammy für das beste R&B-Album.
"Es hat einige Zeit gebraucht, bis wir darüber hinweg waren, dass wir das Opfer der ganzen Sache waren", sagt Ken Ehrlich vor der Verleihung. Dem ausführenden Produzenten der Grammys muss jemand etwas in den Kaffee getan haben.
Nicht die Grammys waren das Opfer von Chris Browns erster aktenkundigen Aggression, sondern Rihanna. Am 8. Februar 2009, kurz vor der Grammy-Verleihung, geraten die Lebensgefährten in einen Streit, den Brown auf seine Weise löst. Nach den Faustschlägen braucht Rihanna medizinische Hilfe, Brown kommt gegen eine Kaution von 50.000 Dollar frei.
Eine Richterin verurteilt ihn später zu fünf Jahren auf Bewährung und 190 Sozialstunden. Zudem darf er sich Rihanna auf höchstens 45 Meter nähern, bei öffentlichen Veranstaltungen höchstens neun Meter. Browns Karriere liegt in Scherben. Sollte sie jedenfalls.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Gerade 16 Jahre ist der US-Amerikaner alt, als er sein erstes Platinalbum in der Tasche hat. Der Junge aus Tappahannock in Virginia sticht die Kollegen aus den urbanen Metropolen New York oder Atlanta mit seinem selbstbetitelten Debüt scheinbar im Vorbeigehen aus.
Sofort kursieren große Vergleiche mit Tevin Campbell oder Usher. Browns Tanzstil erinnert einige sogar an Michael Jackson, sein großes musikalisches Idol, auf dessen Trauerfeier er 2010 "Man In The Mirror" zum Besten gibt. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon wieder weitgehend rehabilitiert.
Die Presse bemängelt, wenn auch allzu selten, fehlende Reue und schüttelt den Kopf über die Musikindustrie, die sich nahezu geschlossen vor einen der ihren stellt. "Ich finde, er ist ein Arschloch", sagt Diplo nach den Grammy-Verleihungen 2012, "aber er ist ein Künstler. Und er ist gut in dem, das er tut."
Gemeinsam mit den Featuregästen Busta Rhymes und Lil' Wayne ist der Produzent für "Look At Me Now" und damit für einen der größten Hits verantwortlich – und er ist nur einer von vielen schillernden Namen, die mit Brown zusammenarbeiten. Die Liste reicht von The Game, Kanye West, Scott Storch und Will.I.Am zu Pollow da Don, Wiz Khalifa und Juelz Santana, um nur einige zu nennen.
Selbst Rihanna vergibt ihrem Peiniger und Ex-Freund. Auf dem Remix von "Birthday Cake" ist Brown 2012 sogar als Featuregast vertreten, im Gegenzug hilft Rihanna bei einer Version von "Turn Up The Music" aus. "Meine Fans haben mich gebeten, mit ihm den Song aufzunehmen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es an der Zeit war", erklärt die Sängerin.
Angesichts dessen wäre es auch an der Zeit für Brown gewesen, sich geläutert zu zeigen. Doch weit gefehlt. Einige Monate vor der Zusammenarbeit mit Rihanna randaliert er in der Garderobe eines Fernsehsenders. Moderatorin Robin Roberts hatte es ihm Interview mit Good Morning America gewagt, ihn auf Rihanna anzusprechen.
Ein gutes Jahr später gerät Brown in einem Nachtclub mit Drake aneinander. An der Schlägerei sind insgesamt acht Personen beteiligt. Mit Frank Ocean prügelt er sich Anfang 2013 vor dem Studio in Los Angeles. Um einen Parkplatz.
Seinem Erfolg tut all das keinen Abbruch. Billboard ernennt ihn nach "F.A.M.E." zum Künstler des Jahres 2011 und kommt damit den Grammys zuvor. Diese ersetzten Browns geplanten und schließlich geplatzten Auftritt 2009 übrigens mit Justin Timberlake und Al Green. Es gibt schlechtere Lösungen, sollte man meinen.
Chris Brown kann das alles herzlich egal sein. Er veröffentlicht munter Album um Album ("X", 2014; "Royalty", 2015; "Heartbreak On A Full Moon", 2017; "Indigo", 2019) und heimst Preise ein. Anders als seine Faust der Visage seiner Ex hat seine Unbeherrschtheit seiner Karriere offenbar keinen Knick beigebracht.
© Laut
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