Boris Berman
Das Schicksal macht manchmal gerne Unsinn und spielt mit Ironie und Paradoxen: Bevor der Pianist Boris Berman zum Spezialisten für Musik des zwanzigsten Jahrhunderts wurde, insbesondere von Prokofjew, Schnittke, Denissow, Schönberg oder Stockhausen, war er bei dem einzigen Ensemble für Alte Musik der UdSSR Cembalist. 1973 gestatteten ihm die sowjetischen Behörden, nach Israel auszuwandern, wo er einige Jahre lebte, bevor er sich in den Vereinigten Staaten niederließ und dort intensive Unterrichtstätigkeiten aufnahm. Er ist ein unermüdlicher Grenzgänger und verfolgt in 50 Ländern auf allen Kontinenten eine internationale Karriere. Daneben realisiert er zahlreiche Aufnahmen und hat zwei Konzertreihen mit originellen Programmen gegründet, Music Spectrum in Israel und Yale Music Spectrum an der Yale School of Music, wo er für die Klavierabteilung verantwortlich ist.
Sein Konzert 2017 in Dallas, bei dem er die 16 Sonatas und 4 Interludes for prepared piano von John Cage spielte war eine Sensation. Der Kritiker kommentierte mit Humor, das Ergebnis sei keineswegs „schrecklich“, sondern im Gegenteil „eigenartig schön“ gewesen. Man muss dazu sagen, dass Berman eine fabelhafte Technik besitzt, ganz in der Traditionen der russischen Pianisten und insbesondere seines Lehrers Lev Oborin. Zu seinen zahlreichen Schülern gehört der junge kanadische Pianist Charles Richard-Hamelin, der eine glänzende Karriere begonnen hat.
Boris Berman nimmt gerne seltene Werke auf und setzt sich für die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts ein, die er meisterlich beherrscht. Die drei Grundsäulen seines Repertoires bestehen aus der Musik von Prokofjew, dessen Kompositionen für Solo-Klavier sowie mit Orchester er alle aufgenommen hat, Debussy, an dessen Musik er besonders die Atmosphäre, die schillernden Farben und das geheimnisvolle liebt, sowie Skrjabin, dessen Esoterik ihn besonders fasziniert.
In der Diskografie dieses Pianisten, der alles kennt und spielt, findet man nur wenig große Klassiker des Klavierrepertoires. Es ist diesem einzigartigen Künstler, dessen Spiel größte Kraft und zugleich unendlich feine Nuancen umfasst, ein wichtiges Anliegen, aus den schnurgerade abgegrenzten konventionellen Musikprogrammen auszubrechen. Sein Einsatz für Prokofjews Musik geht weit über seine eigenen Aufnahmen und Konzerte hinaus. Er hat ein Buch über die Klaviersonaten des russischen Komponisten sowie eine neue Auflage dessen Partituren auf der Grundlage von Manuskripten und Originalausgaben herausgegeben.
Neben seiner Tätigkeit in Yale spielt und unterrichtet Boris Berman in Österreich, Kanada, China, Großbritannien, Dänemark, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Portugal, Israel und Russland. Seine Aufnahme von November 2017, auf dem renommierten Domaine de la Romanée-Conti realisiert und vom Palais des Dégustateurs herausgegeben, ist den Préludes von Debussy gewidmet. Es bestätigt Bermans besondere Vorliebe von für den französischen Komponisten, den er mit Sinnlichkeit und Poesie, mit vollem Klang interpretiert, von billigem Impressionismus meilenweit entfernt.
François Hudry/QOBUZ/November 2017
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