Alkan: 12 Etudes, Op. 35

Albumbeschreibung

Die Klaviermusik des französischen Chopin- und Liszt-Freundes Charles-Valentin Alkan hat sich nie einen festen Platz in unseren Konzertprogrammen erobern können. Aber sie ist auch nie völlig in Vergessenheit geraten, hat unter den Pianisten von Bülow bis Busoni, später von Lewenthal bis Hamelin immer wieder engagierte Verfechter gefunden – eine Tradition, an die neuerdings der junge Italiener Vincenzo Maltempo und der Brite Mark Viner anknüpfen.
Viner, Jahrgang 1989, legt als seinen jüngsten Alkan-Beitrag eine Neueinspielung von dessen „Zwölf Etüden in allen Dur-Tonarten“ vor. Die Sammlung aus dem Jahre 1848 steht traditionell im Schatten der neun Jahre jüngeren Serie Alkans „in allen Moll-Tonarten“, im Gegensatz zu ihr enthält sie keinen der unter Klavierfans bekannten Titel wie etwa die wuchtige „Sinfonie“ (aus den Moll-Etüden Nr. 4-7) oder das exzessiv virtuose „Festmahl Aesops“.
Wohl aber besteht auch sie aus pianistisch aparten und musikalisch (mit Ausnahme des etwas billigen Tremolo-Zaubers in der Schilderung eines „Brandes im Nachbardorf “) nicht unattraktiven Klavierstücken im typischen Alkan-Stil, dieser Kombination aus ausladend üppiger Erscheinungsform und vergleichsweise klassizistischer, mitunter leise an Mendelssohn erinnernder Ausdrucksweise.
Mark Viner wird mit den spielerischen Problemen dieses Etüden-Dutzends in einer Weise fertig, die aller Virtuosenehren wert ist. Er formuliert weicher als etwa Bernard Ringeissen in seiner derzeit einzigen, schon mehr als 25 Jahre alten Katalog-Konkurrenz, ist weniger auf individuelle Charakterisierung und scharf umrissene Zeichnung der Konturen bedacht als auf geschmeidigen musikalischen Ablauf: eine jugendlich beschwingte, im besten Sinne harmonische Lesart dieser Musik.

© Harden, Ingo / www.fonoforum.de