Young Jeezy
Der Mensch ist das Produkt seiner Umwelt. Ausrede oder bittere Realität? Man weiß es nicht. Eines ist Fakt: Young Jeezy ist der heißeste Scheiß, den Rap im Jahr 2005 zu bieten hat. "Ich wollte nie ein Rapper sein", reimt Bushido, Young Jeezy lebt es. Schon bevor er eine Zeile einrappt, befindet sich auf Jay Jenkins Konto eine Zahl mit sechs Nullen. Woher? Drogenhandel und Streethustle deluxe. In so großem Stil, dass die beim Dealen angeschossenen Kollegen 50 Cent und The Game neben ihm wie kleinkriminelle Schulhofverticker wirken.
Bei solch expliziter Vergangenheit ist die Kontroverse vorprogrammiert, die im Jahr 2005 bei der Veröffentlichung des zweiten Albums "Let's Get It: Thug Motivation 101" zum vorläufigen Höhepunkt kommt. Aber erst die Hintergründe.
Der 1977 in Columbia, South Carolina, geborene Senkrechtstarter verdient sich in den Straßen Atlantas im Geflecht der Black Mafia Family seine Sporen. Ein Verein, den das FBI als einflussreichste Drogenbande der amerikanischen Südstaaten bezeichnet und der nebenbei noch das renomierteste Rap-Underground-Label von Atlanta betreibt. Jay Jenkins kämpft sich mit Kompromisslosigkeit und Straßenabitur in die obere Riege der Down South-Cosa Nostra, um 2003 schließlich zum geläuterten Straßenpropheten der Rap-Kirche zu werden.
Dabei bezeichnet er sich nicht als Rapper. Auf der einen Seite ist er ein Trapper, "ein Hustler, der alles tut, um sich und seine Familie ernähren zu können" (O-Ton im Interview mit der Juice 03/06). Auf der anderen Seite ist er der Snowman, der ultimative Hustler, der auf den Straßen ums Überleben kämpft. Wie? Der Snowman ist derjenige, der die Straßen mit Schnee versorgt: Kokain. Reiner Zufall natürlich.
Genau wie Jeezys Zeichen - ein simpel gezeichneter Schneemann mit neutralem Gesichtsausdruck, den sich Jeezy aus Promotionszwecken auf T-Shirts drucken lässt, das sogar 2005 zum Ärgernis der amerikanischen Mittelklasse gerät. Als der Hype um den Rapper ins Unermessliche steigt, verkaufen sich die Jeezy-Shirts wie geschnitten Brot. Sehr zum Missfallen von Lehrern, Eltern und Drogenbeauftragten. Etliche High Schools verbieten ihren Schülern, das Logo in der Öffentlichkeit zu tragen.
Und Young Jeezy ist der neue Bösewicht, der Drogen verherrlicht und Amerikas Mittelschicht in die Kriminalität treibt. Dafür hat Jeezy nur ein müdes Lächeln übrig. Dem XXL Magazine erklärt er, was der Snowman für ihn bedeutet: "Da Snowman represents 'do what you love and love what you do'. But just grind hard at it, be the best." So stilisiert sich Jeezy selber zum "ultimate hustler". Zum Vorzeige-Snowman. Zum Vater einer Bewegung. Zum neuen Jesus der Straße. Große Worte von jemand, der seine Rapkarriere beim besten Willen nicht als den einzigen Ausweg aus dem Leben auf der Straße sieht.
Mitte der Neunziger Jahre erweitert er sein kriminelles Beschäftigungsfeld und versucht, auf dem Musikmarkt legales Geld zu machen. Er gründet das Label Young Guns Entertainment und steigt nach einiger Zeit selber hinters Mikrofon. Dabei geht es ihm nicht um Rap an sich. Er will erzählen, was er auf der Straße sieht. Ein Ziel, das er nicht als erster Reimer verfolgt. Aber Jeezy ist anders. Er schmettert mit seinem heiser-rauchigen Organ Parolen in die Hood. Motivation für seine Freunde, von denen, laut Eigenaussage, über die Hälfte entweder unter der Erde liegen oder im Knast schmoren. Es folgen Mixtapes und 2003 das Debüt "Come Shop Wit' Me", das sich independet knapp eine halbe Million Mal verkauft. Die großen Labels stehen Schlange, schließlich macht Def Jam das Rennen.
Noch vor dem Major-Debüt verpflichtet Bad Boy-Chef P. Diddy den Rapper für seine Dirrty South Casting-Band Boyz N Da Hood, bei der Jeezy auf dem gleichnamigen Album einen Pflichtauftritt abliefert und zum eigenen Lebenslauf einen weiteren knallharten Businessmove addiert. Zu dieser Zeit steht jedoch der Big Apple mitsamt dem Rest Amerikas schon Kopf. Der neue Def Jam-Chef Jay-Z kollaboriert auf dem "Go Crazy"-Remix mit dem Snowman und die Rap-Welt hat seinen neuen Messias gefunden. Im Juli folgt "Let's Get It: Thug Motivation 101", auf dem Jeezy simple Ansagen über die Straße und deren Bewohner der hungrigen Masse entgegen schleudert. Der erste Blick trübt, denn seine Zeilen sprechen eine ganz eigene Sprache. Man nimmt ihm seine Vergangenheit und sein Desinteresse an den normalen Regeln des Rap-Zirkus ab. Der erste Rapper, der Sätze wie "Every time I do it. I do it for my hood" nicht nur nach billigen Befriedigung der kleinkriminellen Fantasien der amerikanischen Mittelschicht klingen lässt.
Young Jeezy interessiert es nicht. Einstiegsplatz Nummer zwei in den Billboardcharts, Mixtapes mit Juelz Santana ("Best Of Both Hoods") und T.I. ("Hustle & Snow") und Coverstorys auf jedem namhaften Hip Hop-Mag der westlichen Hemisphäre sind lediglich Teil der Mission. Einer Mission, die in den Augen des Künstlers selbst, jedoch kein gutes Ende nehmen wird. Im Interview mit dem XXL Magazin ist sich Jeezy über das Ende seiner eigenen Geschichte bewusst: "My story - ain't no happy ending. One of two things gon' happen to me, dawg." Die Schatten seiner Vergangenheit werden ihn also einholen. Das Leben eines Snowmans, eines Trappers, endet entweder im Knast oder mit Blei gefüllt unter der Erde ...
© Laut
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