Snoop Dogg
Rap-Superstar, Produzent, Sänger, Songwriter, Labelboss, Schauspieler, Comedian, Computerspiel-Junkie, Football-Trainer (mit Lizenz!), Porno-Produzent, Papa und Pimp: Snoop Dogg verkörpert all das und vermutlich noch viel mehr. Dabei bleibt er vor allem eins: ein arschcooler Hund.
Dieses Talent muss sich schon früh abzeichnen: Seine Mutter verpasst ihm bereits in jungen Jahren den Spitznamen Snoopy. Tatsächlich trägt er, benannt nach seinem Stiefvater, den Namen Calvin Cordozar Broadus, Jr. Sein leiblicher Vater hat die Familie schon kurz nach Snoops Geburt am 20. Oktober 1971 verlassen.
Calvin wächst in Long Beach in Kalifornien auf. Er singt im Kirchenchor, spielt Klavier. In der sechsten Klasse beginnt er, Texte zu schreiben und zu rappen. Doch all diese musikalischen Ambitionen bewahren ihn nicht davor, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
Schon während seiner Schulzeit lässt er sich wiederholt mit Drogen erwischen. Kurz nach seinem Highschool-Abschluss wandert er deswegen erstmals hinter Gitter. Im Umfeld gewaltbereiter Gangs abzuhängen: vielleicht nicht die beste Idee.
Die aufkeimende Liebe zum Hip Hop bietet da schon andere Perspektiven: Snoop rottet sich mit seinen Cousins Nate Dogg und Lil' 1/2 Dead zu 213 zusammen. Ebenfalls mit an Bord: Snoops Sandkastenkumpel Warren G, praktischerweise der Stiefbruder von Dr. Dre.
Der bekommt ein Demo-Tape der 213-Buben in die Finger, das ihn aufhorchen lässt. Er behält die Crew im Auge, lädt sie zu sich ins Studio und nimmt sie schließlich zusammen mit Death Row Records-Labelboss Suge Knight unter die Fittiche. Dres N.W.A.-Kollege The D.O.C. biegt Snoop Doggy Dogg, wie er sich inzwischen nennt, einiges an Grundlagenwissen bei.
Die Lektionen fallen auf fruchtbaren Boden, wie 1992 Dr. Dres Album "The Chronic" zeigt. Insbesondere der junge Snoop Doggy Dogg rappt sich in dieser Geburtsstunde des G-Funk ins Rampenlicht und damit mitten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Gangsterrap klang nie süßer.
"The Chronic" schlägt ein wie die oft bemühte Bombe. Die erste Single "Nuthing But A G Thang" krönt das Rolling Stone Magazine später zu einem der besten Songs der 90er. Snoop steigt unmittelbar zum Star und zum neuen Messias des Genres auf. Die Erwartungen für sein Solo-Debüt "Doggystyle", das ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit Dr. Dre entsteht und eigentlich die inoffizielle Fortsetzung der "Chronic" darstellt, klettern in schwindelnde Höhen.
Snoop Doggy Dogg erfüllt sie alle. Allein in der ersten Verkaufswoche geht die Platte über 800.000 Mal über die Ladentische: bis Eminem 2000 mit seiner "Marshall Mathers LP" ums Eck kommt, bleibt "Doggystyle" das am rasantesten unters Volk gebrachte Hip Hop-Album überhaupt. us dem Nichts schießt es an die Spitze der Billboard-Charts und erreicht in kürzester Zeit mehrfachen Platin-Status.
Kritiker bemängeln, wie üblich, frauenfeindliche, Drogen und Gewalt verherrlichende Texte, zeigen sich aber unisono beeindruckt von Snoop Doggy Doggs sprachlichen wie technischen Fähigkeiten. Kaum einer zweifelt: Zusammen mit "The Chronic" prägt "Doggystyle" den Westcoast-Hip Hop, öffnet dem Mainstream-Publikum einen Zugang und geht so als eins der wichtigsten Alben der 90er durch.
"Ich kann nur über Dinge rappen, von denen ich etwas verstehe", erklärt Snoop die Wahl seiner Themen. Die harte Realität bricht auch in sein Leben ein: Noch während der Aufnahmen zu "Doggystyle" wird er verhaftet. Ihm wird Beihilfe zum Mord an Philip Woldermarian vorgeworfen, einem Mitglied einer rivalisierenden Gang. Snoop soll den Wagen gesteuert haben, aus dem heraus sein Bodyguard den Mann erschoss.
Der Prozess zieht sich durch das ganze Jahr 1995. Im Februar '96 ergeht endlich das Urteil: Das Gericht folgt dem Plädoyer auf Notwehr und spricht Snoop Doggy Dogg von jeder Schuld frei. Der Weg ist frei für sein zweites Album "Tha Doggfater". Das erscheint allerdings ohne Schützenhilfe von Dr. Dre, der Death Row bereits im Streit verlassen hat.
Auch zwischen Snoop und Suge Knight schwelt der Zwist. Sein Wechsel zu Master Ps No Limit Records kostet Snoop Doggy Dogg seinen Künstlernamen. Fortan firmiert er nur mehr unter Snoop Dogg. Der Imagewechsel vom Gangster zum Pimp liefert in den Folgejahren durchwachsene Ergebnisse.
Mit "Tha Last Meal" nimmt Snoop 2000 Abschied von No Limits und stellt sich fortan auf eigene, unabhängige Füße. Als Sublabel des Majors MCA baut er sich - nach einem Ausflug ins Porno-Geschäft - seine eigene Plattform Doggy Style Records auf.
Zunehmend verdingt er sich neben der Musik auf zahlreichen anderen Feldern. Er spielt in Kino-Filmen, TV-Serien und Sitcoms mit, hostet seine eigenen Fernseh-Formate und Radio-Shows, hält sein Gesicht für Werbespots in die Kameras. Snoop kreiert Mode, Action-Figuren, Computerspiele, leiht seine Stimme auch mal einem Navigationssystem: "So fly, thanks for the ride." Daneben trainiert er ein Jugend-Football-Team.
Seine Platten zeigen ähnlich vielfältige Gesichter: Er bleibt dem G-Funk zwar immer verbunden. Wer eine unbestritten coole Ratte ist, der darf sich aber auch Ausflüge in R'n'B, Disco, Pop und Country (!) gestatten.
Gemeinsam mit Autor David E. Talbert erschließt er sich zudem noch einen weiteren Markt: Die beiden veröffentlichen den stark autobiografisch geprägten Roman "Love Don't Live Here No More". Das Buch wird als erster Teil einer Doggytales-Trilogie angekündigt. Von Snoop Dogg kann man ab sofort nicht nur hören, sondern auch lesen. Noch ein Novum: Als erster Künstler veröffentlicht Snoop Dogg 2007 eine Nummer - "It's The D.O.G." - noch ehe sie offiziell als Single erscheint, als Klingelton.
So wirklich überrascht es niemanden, als Snoop Dogg 2012 urplötzlich seine Wandlung zur Reggae-Persona Snoop Lion kund tut. Etliche Rastafari-Jünger empören sich allerdings über die Ausbeutung ihrer Kultur. Snoop beeindruckt das wenig, er hält seine Reinkarnation dennoch in Bild und Ton fest ("Reincarnated").
Die Rastafari-Erfahrung des Altmeisters stößt auf durchmischte Resonanz, manche mögen den neuen Stil, manche sprechen sich entschieden dagegen aus, viele zeigen sich in erster Linie etwas verwirrt vom plötzlichen Sinneswandel, den Diplo-Produktionen und dem eigentümlichen Sound. Eine Rückwandlung zu Snoop Dogg folgte auf den Fuß.
So veröffentlicht er 2015 das Album "Bush" mit Pharrell Williams als Produzent, kehrt zu seiner üblichen Arbeitsweise zurück, veröffentlicht weiterhin Gastbeiträge auf jedem Song, der bereit ist, seinen Sold zu zahlen und legt 2016 mit "Coolaid" und 2017 mit "Neva Left" weitere klassische Rapalben vor.
Seiner Vorbild-Funktion zeigt er sich bei aller Umtriebigkeit stets bewusst: "Kinder, die im Ghetto aufwachsen, kommen leicht auf dumme Ideen", weiß er selbst am besten. "Ich spreche besonders von Gangbangs und vom Drogenhandel. Ich habe gesehen, wie das ist. Ich glorifiziere nichts, aber ich predige auch nicht. Ich bringe meine Erfahrungen lieber zu ihnen, als dass sie es selbst heraus finden müssen."
© Laut
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