Varietas

Albumbeschreibung

Dass eine CD-Produktion Teil des Preises in einem Interpretationswettbewerb ist, ist nicht Neues. Dass dabei aber ein so beziehungsreiches, in sich rundes Programm herauskommt, ist bemerkenswert. Der Cembalist Christophe Dijoux konnte seiner bereits eindrucksvollen Wettbewerbsbiografie 2014 den Ersten Preis des Leipziger Bach-Wettbewerbs hinzufügen, und diese CD des Leipziger Labels Genuin macht die Entscheidung ohne Weiteres begreiflich. Zunächst ist da Dijoux’ Programm: Es versammelt deutschen Tastenadel des 18. Jahrhunderts und spannt sich dabei über etwa 80 Jahre. Gemeinsamer Bezugspunkt der Stücke von sieben Komponisten ist Hamburg, wo Händel, Mattheson, Telemann und C. P. E. Bach wirkten, in dessen Nähe Böhm und Buxtehude begabte Komponisten anzogen und wohin J. S. Bach noch kurz vor seiner Bewerbung nach Leipzig strebte. „Varietas“, erfreuliche Vielfalt, bietet Dijoux jedoch zunächst im eigenen Spiel. Im genießerisch-klangverliebten Gestus, in den zahllosen Spielarten von Klangbrechung und subtil-agogischer Gliederung und im sanglich-natürlichen Fluss lässt es den Gleichklang mit seinem Freiburger Lehrer-Duo Hill-Behringer erkennen. Doch gemeint ist auch die Vielfalt der Gattungsstile: norddeutsche Toccata bei Buxtehude und einem recht konservativen J. S. Bach; mitteldeutsche Choralpartita bei Böhm; artistische Claviersuite, virtuos bei Händel (in einer von Dijoux zusammengestellten Folge aus Einzelsätzen) und tänzerisch bei Telemann; schließlich demonstrative Tastenkunst beim schreibfreudigen Mattheson. Das Schlussstück, C. P. E. Bachs Rondo C-Dur Wq 56 aus der zweiten Sammlung „für Kenner und Liebhaber“, nimmt mit seinen fantastischen Brüchen und Affektgesten eine ganz eigene Varietas in sich auf, die Dijoux wie auf einer imaginären Theaterbühne inszeniert. Auch den beiden verwendeten Instrumenten schließlich gewinnt Dijoux erstaunliche Farbvielfalt ab – Klangsucht, die selber süchtig macht.
© Sprondel, Friedrich / www.fonoforum.de