Vanishing Night

Albumbeschreibung

„Paul Brody ist ein beachtlicher Trompeter, Komponist und Arrangeur, der in Berlin lebt“, meint John Zorn, Wortführer der sogenannten Radical Jewish Culture. „Er formt einen neuen jüdischen Jazz für das 21. Jahrhundert.“ Mehr noch: Brody macht Musiktheater, entwirft Klanginstallationen und sucht, wenn er mit Texten arbeitet, Schnittstellen zwischen gesprochener Sprache und Musik. Nach seinem Werk „Hinter allen Worten“ (2014), zu Gedichten von Rose Ausländer, dreht sich das aktuelle Album mit dem experimentierfreudigen Klezmer-Jazz-Quintett Sadawi erneut um Texte, aber auch um bildende Kunst und Musiktheater.
Im Fokus stehen zwei Gruppen von Stücken, die aus früheren Projekten hervorgingen. Für den Auftakt einer Konzertreihe im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück setzte sich Brody mit dem Werk des jüdischen Malers Nussbaum auseinander, der 1945 im KZ Auschwitz umkam. Das zweiteilige „Two Self Portraits“ mit erst klagender, dann jubilierender Klezmerklarinette und das groovig-schräge „Grimace“ beziehen sich auf konkrete Bilder des Künstlers. Die viersätzige „Theater Suite for David Marton“ wiederum besteht aus Kompositionen von Mozart, Purcell, Haydn und Bach, die Brody für Inszenierungen des Theater- und Opernregisseurs Marton neu arrangierte. Die serbische Jazzvokalistin und Schauspielerin Jelena Kuljic taucht sie in grüblerische bis exaltierte Stimmungen. Noch einmal kommt Kuljic in einer Widmung an den polnischen Dichter Czesław Miłosz zum Einsatz („Thankfulness“).
Brodys Kompositionen atmen stets den Hauch jiddischer Klezmermusik, ob als Reggae, melancholische Balladen oder von schwebenden, eigenwillig gestimmten Gitarrensounds durchwirkte Klangbilder. Im „spoken word“-Titelstück outet sich der Wahlberliner dann als Nachtarbeiter – nicht immer ganz freiwillig, aber mit spannenden Ergebnissen.

© Klostermann, Berthold / www.fonoforum.de