Breath by Breath

Albumbeschreibung

Jedes neu erscheinende Album von Fred Hersch ist immer wieder ein Geschenk des Himmels. Breath by Breath, das von Brad Mehldaus ehemaligem Lehrer zusammen mit seinem Trio ausgeheckt wurde (Drew Gress am Kontrabass, Jochen Rueckert am Schlagzeug), und vor allem das Crosby Street String Quartet (die Violinisten Joyce Hammann und Laura Seaton, der Bratschist Lois Martin und der Cellist Jody Redhage Ferber) liefern den Beweis dafür. In der Geschichte des Jazz sprudelt es nur so von Experimenten „mit Streichern“, egal, ob es sich dabei um Kammerensembles wie hier handelt, oder um ganze Sinfonieorchester. Zahlreiche Personen, das fängt an mit Charlie Parker, geht weiter mit Jim Hall, Stan Getz, Clifford Brown oder auch Cannonball Adderley, und reicht hin bis zu Bill Evans, haben es gewagt, diesen Seitenweg einzuschlagen, der für Hersch etwas ganz Natürliches zu sein scheint. „Ich bin mit Streichquartetten im Ohr großgeworden. Meine Klavierlehrerin war die Frau des Cellisten aus dem berühmten LaSalle Quartet. Als Schüler legte ich mich gewöhnlich, wenn sie probten, in ihrem Wohnzimmer auf den Teppich und hörte ihnen dann gelassen zu, und so hörte ich, wie Bratsche und erste Violine ineinander übergingen, oder die zweite Violine und das Cello. Und seit ich als Achtjähriger das Komponieren gelernt habe, kreist meine Musik fast immer rund um vier melodische Partien. Die Streichquartette sind also für mich eine ganz natürliche Musikgattung.“

Wie viele seiner Kollegen inspiriert sich auch Fred Hersch in seiner Musik ausführlich beim klassischen Repertoire. Und Breath by Breath betont dieses ästhetische Element, sicherlich schon mal wegen des bestehenden Streichquartetts, aber auch aufgrund der seinen Kompositionen zugrunde liegenden Gliederung. Der aus Cincinnati stammende Pianist fühlt sich sogar wohl wie ein Fisch im Wasser dieses musikalisch bunt angereicherten Ozeans… Hersch gesteht, dass er sich im monatelangen Lockdown ernsthaft mit Meditation auseinandergesetzt hat, und so entstand dieses Album, das er in dieser Zeit auch eingespielt hat. Eine dauernd offenstehende Meditation. Weit offen sogar! Während die Streicher nahtlos in die Klänge des Klaviers übergehen, breiten Drew Gress und Jochen Rueckert mit viel Fingerspitzengefühl ihren Teppich voller Rhythmen vor uns aus, das heißt, dank dieser Gruppenarbeit steht der innerlich auf seiner Insel dahinwandelnde Hersch nie allein da. Und wenn Breath by Breath zu Ende geht, fragen wir uns wieder einmal, warum der Komponist mit dieser außergewöhnlich intelligenten Musik voll schlichter Raffinesse und formeller Eleganz immer noch der wohl unterschätzteste Jazzmusiker seiner Generation ist… © Marc Zisman/Qobuz