Hot Chocolate
1969 war ein großartiges Jahr: Der erste Mensch betrat den Mond und die Hippies feierten Woodstock. Gleichzeitig beschlossen drei Gastarbeiter und Partyhengste mit karibischem Blut irgendwo im Londoner Ghetto-Stadtteil Brixton eine Popband zu gründen. Kein schlechter Ausgangspunkt: Das rythmische Potential der Antillen in einer Band versammelt. Fehlte nur noch eine geeignete Stimme, bis später im Jahre '69 Errol Brown (seines Zeichens Jamaikaner) zur Band fand.
Er gab dem Sound der Band den letzten Schliff, mit seinem souligen Timbre und dem markanten Skinhead. Seinen songwriterischen Fähigkeiten hat das tanzende Volk dieser Erde unter anderem Hits wie "Every 1's A Winner", "It Started With A Kiss", "What Kinda Boy You're Looking For (Girl)" zu verdanken. Zusammen mit Gründungsmitglied und Bassist Tony Wilson schrieb er über die 70er und 80er Jahre hinweg Discogeschichte mit "Brother Louie", "Disco Queen" und den Knaller "Emma", der sogar die Sisters Of Mercy zu einer Coverversion inspirierte.
Eigentlich war damals die Hochzeit der psychedelischen Rockmusik und des ungepflegten Hippietums. Die Jungs aus der Karibik waren aber im Grunde ihres Herzens Dandys und Tänzer und sahen sich eher dem Funk und dem Rhythm&Blues verschrieben. Eine ideologische und musikalische Gegenbewegung sollte also stattfinden, der Politik überdrüssig und hedonistisch. Man kann Hot Chocolate deshalb auch als Protagonisten des aufkommenden Disco-Fiebers in den frühen 70ern zählen. Der eigentümliche Bontempi-Rhythmusflair wurde unterlegt mit funkigen Basslines, herkömmlicher Percussion und dem souligen Organ Browns. Dabei half ihnen auch die neue Synthi-Technik beim produzieren ihrer eingängigen Romantik-Tanzschlager und Soulballaden.
Sie prägten damals nicht nur in musikalischer Hinsicht den Style. In den Straßen der westlichen Welt wurden fortan schwere Angriffe auf den guten Geschmack gefahren. Männer mit Goldkettchen an jeder Extremität, Hemden aus Rüschen, Spitze und mit schulterbreiten Haifischkragen. Dazu natürlich die obligatorische Schlaghose. Das Ganze in Pastellfarben und einem Hektoliter süßen Parfums und fertig war die Uniform der Ästhetikterroristen.
Im damaligen Kino waren gerade Black-Exploitation Movies hip und Shaft prügelte sich zu funky Rythmen über die Leinwand. Auch Hot Chocolate trugen schon damals dazu bei, dass die schwarze Tanzmusik nicht neben dem weißen Rock unterging. Leider schafften es Hot Chocolate damals nie in die Soundtracks. Ihr erster großer Hit "You Sexy Thing" fand jedoch 1998 im Film "The Full Monty" ("Ganz oder gar nicht") sein Revival. Mal abwarten, ob man sie in den Credits des nächsten Tarantino-Films auflisten wird.
1987 lösen sich Hot Choclate 1987 auf, Errol Brown remixt und produzierte Platten einiger befreundeter Musiker. In den Folgejahren ist die Band ohne Brown mit Grant Evelyn, Greg Bannis und Kennie Simon live unterwegs, zehran aber nur noch von den erfolgreichen Tagen. Im Jahr 2015 erliegt Brown in seinem Haus auf den Bahamas im Alter von 71 Jahren einem Leberkrebsleiden. "Überall wo er war, da war Musik", meinte Manager Phil Dale nach Browns Ableben. Die Musik lebt weiter: Auch heute noch erhellen Hot Chocolate so manches Etablissement und jeden Christopher Street Day mit ihrer lauwarm-schwülen Schwofmusik.
© Laut
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