Valery Afanassiev Plays Mozart

Albumbeschreibung

Es ist verstörend, wie Valery Afanassiev die galante C-Dur-Sonate KV 330 ausdörrt, nahezu ohne Pedal, pedantisch artikulierend, aber ebenso ostentativ alle dynamischen Kontraste einebnend. Das floskelhafte Material wird fast parodierend aufgezählt, der Geist des Liebenswürdigen, Gefälligen gnadenlos ausgetrieben. Übrig bleibt wenig mehr als ein Gerippe.
Derlei „unterläuft“ einem Denker wie dem 1947 geborenen Russen nicht. Wer das unbeschreiblich bizarre Booklet liest, findet in einer Reihe (fiktiver?) Briefe an einen Repräsentanten seiner Plattenfirma einen Schlüssel. Man hat das sicherlich nur drucken lassen, weil niemand sich die Mühe gemacht hat, es zu lesen – so überschäumend ist die Wut, mit der er über all jene Eitlen, Oberflächlichen herfällt, die die klassische Musik entwürdigen: die Ausgeburten der Major-Labels. Ist vielleicht auch dieses irritierende Klavierspiel ein Dokument kalter Alterswut über die Schändungen des Kunstheiligen? Löscht er jene leicht zugänglichen Facetten Mozarts aus, weil sie unsere Gegenwart zum bezaubernd-konsumierbaren Stoff ummünzt? All jene, die Khatia B. für eine Künstlerin halten, sollen bei ihm leer ausgehen.
Man ist gespannt – und das ist ein Hörreiz von fast perverser Erlesenheit –, welche Passagen überlebt haben. Von der C-Dur-Sonate bleibt nur der pochende f-Moll-Mittelteil des Andantes, der ihm fast unter den Händen erfriert. Weicht Mozarts galanter Stil größerer Individualität, differenziert sich Afanassievs Spiel merklich aus. Den Kopfsatz der a-Moll-Sonate stellt er mit Wucht und größten dynamischen Kontrasten hin, den Variationssatz der „Alla-turca“-Sonate spielt er herb und gewichtig, und der fast rhetorische Beginn des Menuetts mit seinen eigentümlichen Verzögerungen offenbart jenen fast mürrisch ernsten Mozart, den Afanassiev mit uns zu teilen bereit ist.

© Kornemann, Matthias / www.fonoforum.de