Shakin' Stevens
Männliche Teenstars der achtziger Jahre - in Sachen Fan-Begeisterung stehen da Kollegen wie Paul Young, Nik Kershaw und natürlich A-has Morten Harket in der allerersten Reihe. Doch gibt es nur einen, der zu seiner Zeit den Titel Kreischalarm-König uneingeschränkt zu Recht trägt - und das mittels musikalischer Anachronismen und trotz seines für 15-jährige Mädchen vermeintlich uninteressanten Alter von über 30 Jahren.
Die Rede ist vom am 4. März 1948 im walisischen Ely als Michael Barratt geborenen Pop- und Rock'n'Roll-Sänger Shakin' Stevens. In den sechziger Jahren gründet der Künstler eine eigene Band mit dem Namen Shakin' Stevens And The Sunsets. Es kommt zu mehreren Plattenveröffentlichungen, doch der Durchbruch will nicht so recht gelingen.
Größte Erfolge der Formation bedeuten die Auftritte als Vorgruppe für die Rolling Stones im Jahr 1969, sowie 1972 die Wahl zur besten Live-Band durch den New Musical Express. Die Sunsets arbeiten weiter an ihrer Karriere, doch 1976, als der klassische Rock'n'Roll schon längst zu Grabe getragen ist und die Disco-Welle am Horizont glitzert, geht die Band auseinander.
Shakin' Stevens hält indes unbeirrt am alten Stil fest und spielt die Hauptrolle in einem erfolgreichen Musical über Elvis, den er fast zwei Jahre lang verkörpert. In den Siebzigern erfolgreiche Bands des Neo-Rock'n'Roll wie Showaddywaddy erleben den Sturz in die Bedeutungslosigkeit, doch Stevens setzt dem Abschwung zum Trotz als Solo-Künstler weiter auf den Sound der fünfziger und sechziger Jahre.
Praktisch aus dem Nichts gelingt ihm mit dem Rockabilly-angehauchten "Marie Marie" ein europaweiter Charts-Hit, auch die gleichnamige LP erklimmt die Bestsellerlisten. Dass seine Interpretationen des Gestern keine Eintagsfliegen sind, beweist er 1981 mit dem Nachfolge-Album "This Ole House", das die Hitparaden ebenfalls im Sturm erobert.
Spätestens mit dem Longplayer "Green Door" hat sich Stevens endgültig etabliert und liefert Hit auf Hit für seine Fans, die ihm zwischenzeitlich den liebevoll gemeinten Begriff "Shaky" verpasst haben - wegen seiner gekonnten Elvis-Hüftschwung-Einlagen während der Performance. Allein in Großbritannien gelingen dem Künstler in seiner Karriere vier Nummer Eins-Hits und mehr als respektable 35 Charts-Entries.
Das Rezept ist schlicht, aber effektiv: Neben Cover-Aufnahmen alter Klassiker steuern Stevens und sein Team brandneue Nummern im Stil der Presley-Ära bei. Unter den Eigen-Kompositionen und Single-Veröffentlichungen ragen besonders "Shirley", "Oh Julie" und die Teenballad-Hommage "Teardrops" heraus.
Auf dem gesamten Kontinent stürmen vor allem weibliche Teens Shakys Konzerte - und brechen hyperventilierend zusammen. Ein Beispiel dafür liefert Stevens' Auftritt in Thomas Gottschalks ZDF-Sendung "Thommys Pop-Show", bei der nach seinem Auftritt ein minderjähriges Mädchen aus dem Publikum dem Star auf der Bühne "Guten Tag" wünschen darf. Doch sie bricht stattdessen in Tränen aus. Gottschalk nimmt sie behutsam in den Arm und fragt, was denn los sei. Das Mädchen antwortet nur: "Aber ich lieb' ihn doch so!"
Die Verehrung Shakin' Stevens' fungiert so als Bindeglied zwischen den enthemmten Fan-Zeiten eines Elvis über die Beatles bis hin zu ähnlich gelagerten Vorfällen bei neuzeitlichen Tokio Hotel-Konzerten - nicht die Ära oder der Sound sind entscheidend, sondern das paßgenaue Aufeinandertreffen von Zeitgeist und Schwarm-Bereitschaft für einen Star.
Mitte der Achtziger bedeutet der Song "Lipstick Powder & Paint" einen der letzten größeren Single-Chartserfolge von Shakin' Stevens und läutet den allmählichen Abschied von der großen Erfolgsbühne ein. Die Alben "A Whole Lotta Shaky" (1988) und "There's Two Kinds Of Music...Rock And Roll" (1990) knüpfen nicht mehr an die Erfolge der früheren Jahre an. Noch einmal erscheint 2007 mit "Now Listen" ein Longplayer, der letztendlich aber nur in Dänemark seine offizielle Veröffentlichung erfährt.
Shakin' Stevens: Von den Wurzeln her ein aufrechter Rocker, der in relativ späten Jahren eine höchst unübliche Karriere erlebt - und mit seiner Arbeit dem klassischen Rock'n'Roll eine Menge unterhaltsamer Songs samt charmanter Pop-Verbrämung hinterlässt.
© Laut
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