Diego Fasolis
So wie aus dem Kanton Tessin in der Schweiz zahlreiche Architekten stammen (Solari da Carona, Borromini und Trezzini, die aktiv am Bau des Kreml in Moskau, dem päpstlichen Rom beziehungsweise Sankt Petersburg beteiligt waren sowie aus jüngester Zeit Mario Botta, um den berühmtesten zu nennen), so ist es auch die Heimat berühmter Ton-Architekten, Musiker, wie Edwin Loehrer, des großen Barockmusik-Pioniers oder Hermann Scherchen, der in den 50er-Jahren das Studio für Elektroakustische Musik in Gravesano gegründet hat. Später initiierte die aus dem Tessin stammende Geigerin Chiara Banchini das Ensemble 415, das bei der Neuinterpretation der italienischen Barockmusik eine große Rolle gespielt hat. Heute stehen das Projekt Martha Argerich in Lugano sowie die Persönlichkeit Diego Fasolis im Mittelpunkt des Tessiner Musiklebens.
Als Organist (er hat bei Gaston Litaize in Paris studiert), Chorleiter und Dirigent ist Diego Fasolis im Hinblick auf Barockmusik eine Persönlichkeit, an der man nicht vorbeikommt. 1995 gründete er das Ensemble Vanitas in Lugano sowie I Barocchisti, das aus der berühmten 1961 von Loehrer gegründeten Società cameristica di Lugano hervorgeht, und der wir die ersten wichtigen Einspielungen der Madrigale von Claudio Monteverdi verdanken. Unter dem neuen Namen sowie der Leitung seines neuen Dirigenten Diego Fasolis erlebt das Ensemble einen großen Aufschwung. Zahlreiche Aufnahmen der Barocchisti werden regelmäßig ausgezeichnet. Viele berühmte internationale Solisten arbeiten mit ihnen zusammen wie z.B. Philippe Jaroussky, Maurice Steger, Max Emanuel Cencic sowie in den letzten Jahren Cecilia Bartoli, mit der sich eine enge Zusammenarbeit ergeben hat. Diese brillante Aktivität hindert Diego Fasolis nicht an einer Tätigkeit als Gastdirigent an der Scala in Mailand, am Théâtre des Champs-Elysées in Paris, an der Oper in Lausanne sowie an der Königlichen Oper in Versailles, wo er seit 2013 regelmäßig zu Gast ist.
Diego Fasolis hat bei verschiedenen Labels dank seiner zahlreichen Aktivitäten an der Spitze verschiedener Ensembles wie etwa Coro Della Svizzera Italiana, I Barocchisti, das Ensemble Vanitas oder auch die Sonatori De La Gioiosa Marca eine umfangreiche Diskografie herausgegeben
Zu seinen größten Erfolgen zählen die Alben MISSION mit Cecilia Bartoli und Cecilia Bartoli-Saint Petersburg, die Aufnahmen von Leonardo Vinci (nicht zu verwechseln mit dem Maler der Mona Lisa) mit Artaserse und Philippe Jaroussky, sowie Farnace von Vivaldi mit denselben Interpreten. Im Bereich der Neuentdeckungen sollten Les Mystères d’Isis von… Mozart genannt werden, d.h. die Zauberflöte in der überarbeiteten Fassung, in der sie im 19. Jh. in Paris aufgeführt wurde und an der deutlich wird, wie skrupellos man früher mit Kunstwerken umging. Auch wenn diese Rekonstruktion faszinierend ist, so kann man verstehen, warum Berlioz damals auf die Barrikaden ging!
Diego Fasolis’ Eklektizismus ist verblüffend und ermöglicht spektakuläre Entdeckungen wie das Requiem von Camille Saint-Saëns, Faramondo von Haendel (mit Cencic), die Passion Jesu-Christi von Paisiello sowie Werke von Steffani, Piccini, Eisler und Durante. Ein gelungener Spagat zwischen den Generationen: bei Diego Fasolis großer Kunst.
François Hudry/QOBUZ/November 2017
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