Christian Scott
Sein Onkel, der Modern Jazz-Altsaxophonist Donald Harrison, gibt ihm den Tipp, nicht zu viele Aufnahmen anderer zeitgenössischer Trompeter anzuhören, um gar nicht erst in die Versuchung zu geraten, wie diese klingen zu wollen. Weil Christian Scott sich diesen ungemein wertvollen Ratschlag zu Herzen nimmt und einen eigenen, unverkennbaren Ton entwickelt, spielt er bereits als 16-Jähriger in der Band seines Onkels. Mit 18 begleitet er Harrison auf dessen Album "Real Life Stories" (2002).
Eine erste professionelle Ausbildung genießt der Trompeter, der mit zwölf seine erstes Horn geschenkt bekommt, am New Orleans Center for the Creative Arts. Anschließend absolviert Scott an der renommierten Bostoner Berklee Musikschmiede sein Studium in der Hälfte der normalen Zeit. Genug Zeit, um die Lehrkräfte auf sich aufmerksam zu machen, die ihn 2004 für die Best-Of-Band der Schule rekrutieren, das Berklee Monterey Quartet 2004, mit dem er im selben Jahr auf dem Monterey Jazz Festival auftritt.
2006 debütiert Christian Scott mit "Rewind That". Bis auf die Jazzpolizei sind die Reaktionen darauf überwältigend. Die Kommentare reichen von "in diesem Fall sind die Lobpreisungen verdient" (LA Daily News) bis "wohl die bemerkenswerteste Premiere, die dieses Genre in den letzten zehn Jahren gesehen hat" (Billboard Magazine). Als Krönung erhält "Rewind That" eine Grammy-Nominierung für das "beste zeitgenössische Jazzalbum".
Neun der elf Kompositionen von "Rewind That" stammen aus der Feder Scotts. "Ich wurde von allen Seiten bedrängt, eine konventionelle Jazzplatte mit Standards zu machen. Aber das wäre für mich ungefähr so, als wenn man ein Rendezvous mit einer neuen Frau hätte und dabei versuchen würde, sich so zu benehmen wie ihr letzter Freund. Man muss bei einer solchen Gelegenheit doch zeigen, dass man etwas Besonderes, Einzigartiges ist."
Prince ist ebenso begeistert wie viele andere und holt sich den Eigenbrötler Scott ins Studio, um ein paar Songs für seine kommende Platte einzuspielen. Mit Mos Def teilt sich Scott die Bühne, und mit Randy Jackson, der auf Kollabos mit Santana, Billy Cobham, Bobby McFerrin, Aretha Franklin und Bob Dylan zurückblickt und von Christian Scott schwärmt: "Durch die Art, wie er die Grenzen des Machbaren verschiebt verkörpert er genau das, was wir alle immer an Miles Davis liebten."
Eben diesen hebt Scott mit einer plausiblen Begründung als seinen Haupteinfluss hervor. "Miles entschied eines Tages, nur die Essenz seiner Gedanken mitzuteilen. Das, was er nicht spielte, war genauso großartig wie das, was er spielte."
Seine künstlerische Eigenständigkeit macht schnell die Runde. In Steven Soderberghs Film "Leatherheads" tritt er neben George Clooney und Renee Zellweger auf. Nicht sein letzter Auftritt auf der großen Leinwand. Zuvor geht er 2007 jedoch mit seinem zweiten Longplayer "Anthem" an den Start, das er seiner von Hurrikan Kathrina verwüsteten Heimatstadt New Orleans widmet.
Für die stets wechselnde Besetzung seiner Band holt sich Scott talentierte Kauze ins Boot. An erster Stelle sei Marcus Gilmore genannt. Der Enkel des legendären Jazzschlagzeugers Roy Haynes drischt as-rockig-as-he-can auf seine Kessel ein. Als einziges festes Mitglied scheint sich über die Jahre Gitarrist Matt Stevens herauszukristallisieren.
2012 veröffentlicht er mit "Christian Atunde Adjuah" sein erstes Doppel-Album. Für seine Musik, die immer auf der akustsichen Erzählung von Geschichten basiert, hat er nun einen eigenen Namen gefunden: Stretch Music. Wie ein kubistischer Maler nimmt er seine Musik auseinander und setzt sie in einer abstrakten Form, die eine Vielzahl neuer Perspektiven zeigt, wieder zusammen.
"Ich hoffe, dass meine Musik auch jüngere Leute anspricht und sie meine Botschaft verstehen: dass Inovation bei der künstlerischen Ausübung nie als Problem betrachtet werden sollte, das man sich immer dessen bewusst sein sollte, was vor einem da war, und schließlich dass man sich von der Kritik nicht lähmen, sonder zu Aktion inspirieren lassen sollte," wünscht sich Christian Scott.
© Laut
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