Bach : Plucked / Unplucked

Albumbeschreibung

Unter dem Flügel seines Vaters Joseph Ginsburg liegend lauscht Lucien den Walzern Chopins und den Songs von Cole Porter. Früh wird er Cool Jazz-Fan und sammelt Platten von Mulligan, Baker, Adderley, Bird und Miles. Ab 1957, als er seine ersten Werke bei der SACEM anmeldet, wird aus Lucien der Serge Gainsbourg. Für den Krimi „Les loups dans la bergerie“ (1960) schrieb er eine traumhaft schöne Titelmusik und einen Mambo wie für Hollywoods „Schwarze Serie“. Diese 5-CD-Box ist eine Büchse der Pandora: 131 Tracks, davon 59 bisher unveröffentlicht. Vieles klingt anfangs verblüffend jazzy – wie die Fluchtsequenz in „Les loups“ oder die soften Bläsersätze in „Strip-tease“ (1963), mit viel Vibrafon und Altsaxofon. In den 60er-Jahren ist die Nachteule Gainsbourg Dauergast in Pariser Jazzclubs wie dem „Blue Note“ oder „Le Chat Qui Pêche“. Der Workaholic mit der ewig qualmenden Gauloise arbeitet wie für die Haute Couture: ein „créateur de mode musical“, der Stile und Genres wie die Hemden wechselt, in Hollywood plündert, bei Italo-Western oder Musicals.
Gainsbourg mutiert zum „touche-à-tout“, zum Hans-Dampf-in-allen-Gassen. „Comment trouvez-vous ma sœur“ (1964) lässt die hereinbrechende Bossa- bzw. Beat-Welle herein, in Frankreich „Les yés-yés“ genannt. Zu der Zeit fand er, Jazz sei „nur was für eine Minderheit, die beste aller Musiken, aber zu hoch fürs Volk.“ Am schrägen Walzer „Wouaou!“ aus „Toutes folles de lui“ (1967) hätte sich Zappa ergötzt. Und „Requiem pour un con“ nimmt den Talking Heads-Sound vorweg („Le Pacha“, 1968).
Ab 1976 bis zu seinem Tod macht der multitalentierte Provokateur Gainsbourg auch selber Filme. Mit seinen Kompositionen finanziert er seine schwer verkäuflichen Alben und stürzt sich in abenteuerliche Filmprojekte. Deren musikalische Früchte funktionieren auch ohne die Bilder prächtig, wie etwa die „Trance-Party der Hascher“ und unzählige andere kleine Geniestreiche.

© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de