Branford Marsalis
In einer 'Royal Family of Music' zu bestehen, ist nicht einfach. Vor allem in Vergleich zu Wynton Marsalis (Trompete), hat es Branford (Saxophon) lange Zeit recht schwer. Mit zunehmendem Alter schwimmt er sich aus dem Kielwasser des vermeintlich übermächtigen Bruders, der musikalisch an die Jazz-Tradition der 60er Jahre anzuknüpfen versucht, frei.
Von 1979 bis 1981 studiert Branford an der renommierten Berklee School Of Music in Boston. Direkt im Anschluss daran tourt er mit Art Blakey und spielt im Orchester von Lionel Hampton. Auch im Quintett seines Bruders Wynton besetzt er für drei Jahre den Saxophonstuhl, bevor er 1985 mit "Scenes In The City" debütiert.
Im selben Jahr turtelt er intensiv mit Sting und dessen neuer Begleitband. "Dream Of The Blue Turtles" (1985), "Nothing Like The Sun" (1987) und das Hammer-Live-Album "Bring On The Night" (1986) legen von dieser Liaison ein beeindruckendes Zeugnis ab. In dieser Zeit entfernt er sich immer deutlicher von den traditionalistisch-konservativen Vorstellungen seines Bruders und beginnt, seinen eigenen Stil zu explorieren.
Als amerikanischer Helmut Zerlett begleitet er von 1992 bis 1998 die allabendliche Tonight-Show von Jay Lenos. Sein Funk-Pop-Jazz Projekt Buckshot LeFonque geht Mitte der 90er in die Dancefloor-Jazz-Geschichte ein, dann hat er die Faxen dicke vom Musikbusiness: "Ich bezweifle, dass man Leuten den Jazz näher bringen kann, indem man Jazzmusiker belanglose Musik spielen lässt", lässt er verlauten und will seine Energie fortan "nicht mehr bei kommerziell ausgerichteten Jobs vergeuden."
Das Ergebnis ist (s)ein Jazz-Quartett, das sich in regelmäßigen Abständen zum Proben trifft, zum Üben, Feilen und Veröffentlichen. Seit 1999 Joey Calderazzo den Klavierhocker des verstorbenen Kenny Kirkland besetzt, spielen Eric Revis (Bass), Jeff 'Tain' Watts (Schlagzeug) und Marsalis in unveränderter Besetzung zusammen und schreiben mit jeder Platte ein kleines Stück moderner Jazzgeschichte.
Ab 1997 sitzt er neben seinem aktiven Musikerdasein als A&R bei Columbias Jazzabteilung auch auf der anderen Seite des Tisches und kümmert sich vorbildlich um die Talentsuche. Die Ideenflut der next Generation treibt ihn zu Beginn des neuen Jahrtausends dazu, sein eigenes Label Marsalis-Music zu gründen. Da der Indie-Vertrieb jedoch auf Dauer nicht die benötigten Verkaufszahlen generiert, klopft er bei Universal an, die dem etablierten Jazzmann gerne unter die Arme greifen.
Branford, geboren am 26. August 1960 in Beaux Ridge, nahe New Orleans, gilt lange Zeit als musikalisch sprunghaft. Ohne Vorurteile allem Nicht-Jazz gegenüber, findet man seinen Namen auf Alben von Art Blakey, Herbie Hancock, Clark Terry, Public Enemy und Grateful Dead. Mit dieser Offenheit ist der Wanderer zwischen den Welten immer für eine Überraschung gut. Denn trotz zunehmender Zuneigung dem wahren Jazz gegenüber, kündigt er im Zuge der Veröffentlichung von "Braggtown" an, wieder an einem Album mit Buckshot Le Fonque zu arbeiten. Mit dem Nachsatz "doch das wird dauern", erstickt er weitere Erkundigungen jedoch im Kern.
Im gleichen Atemzug gibt er zu "Braggtown" folgenden Kommentar, der sein Jazz-Ich offenbart: "Wir spielen sehr anspruchsvolle Musik. Man muss ihr zuhören und sich auf sie konzentrieren. Wer zu uns kommt, um sich zu unterhalten oder berieseln zu lassen, liegt falsch. Unsere Musik liebt man oder man hasst sie. Dazwischen gibt es nichts."
© Laut
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