Television Personalities
Man muss wohl schon ein wenig irre sein, wenn man über drei Jahrzehnte lang streng nach dem Motto "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" Musik schreibt und lebt. Dan Treacy (Gesang, Gitarre) ist so ein verrückter Engländer, der 1976 in London die Psychedelic-Popformation Television Personalities mit Schulfreund Ed Ball (Orgel, Gitarre und Schlagzeug) gründet. Musikalisch werden sie vom 60s Sound der Beatles, The Who und den frühen Pink Floyd inspiriert. Doch schon bald kreieren sie mit ständig wechselnder Besetzung - die Brüder Gerard (Bass) und John Bennett (Schlagzeug) sowie Joe Foster (Bass) - ihren eigenen Sound aus Punk, Pop und psychedelischem Glamour.
Die erste Single "14th Floor" lässt nur Gutes ahnen. Weitere Rotzanekdoten über Wochenendpunks und dem Verbleib des Talkmasters Bill Grundy vernimmt man auf der ersten EP "Where's Bill Grundy Now"? (Der Talkmaster wird 1977 nach einem Sex Pistols-Interview von der BBC gefeuert"). Unvergesslich auch die dort gelistete Hitsingle "Part-Time Punks."
1981 veröffentlicht das feststehende Trio Treacy, Ball und Mark "Empire" Sheppard am Schlagzeug das Debüt "... And Don't The Kids Just Love It". Hier variieren schnelle Stücke mit ruhigen Popliedern ("La Grande Illusion") und behandeln Themen wie Dorian Gray (Songschreiber Dan Treacy ist ein leidenschaftlicher Filmnarr) oder den frühen Pink Floyd-Sänger Syd Barrett ("I Know Where Syd Barrett Lives").
Nach einer ausgiebigen Konzertreise erscheint 1982 die sehr psychedelische Platte "Mummy You're Not Watching Me". Auch hier scheint das melancholische Songwriting von Treacy durch Songs wie "Where The Rainbows End". In jedem Punk steckt nun mal auch ein Romantiker, aber vor allem leidet der Mann an Depressionen, die sich später ernsthaft zu erkennen geben. Das Album bleibt nur ein Geheimtipp unter Fans. Kurz danach erscheint die Compilation "They Could Be Bigger Than The Beatles" mit raren Single- und Sessionstücken. Selbstironie ist ihnen wohl die beste Antwort, um eine schwere Enttäuschung zu verbergen.
Eine weitere mit wenig Beachtung gesegnete Platte stiftet dann eine interne Krise. Ed Ball und Dan trennen sich endgültig und im Streit. Ball gründet seine eigene Band The Times und auch Sheppard verlässt kurze Zeit später die Television Personalities. Mit alter/neuer Besetzung (Joe Foster kehrt mit Gitarre zurück, Dave Musker spielt Orgel und Mark Flunder am Bass) erscheint 1985 "The Painted Word". Hier hört man den Hilferuf eines einsamen Punkjungen namens Treacy, der sich in der großen bösen Welt nicht mehr zurecht findet ("Happy All The Time" oder "Bright Sunny Smiles") und das Antikriegsepos "Back To Vietnam" darf dabei natürlich auch nicht fehlen.
Nach der von Stanley Kubrick beeinflussten Maxi "How I Learned To Love The Bomb" folgt 1990 mit abermals neuer Besetzung (Ex-Swell Maps-Bassist Jowe Head und Jeff Bloom am Schlagzeug) das Album "Privilege". In dem Song "All My Dreams Are Dead" bedauert Treacy den Tod von John Lennon und Andy Warhol. Die ewigen Alkohol- und Drogenprobleme und der nicht vorhandene Geldsegen führen zu immer mehr Komplikationen innerhalb der Band. Treacy selbst leidet an Wahnvorstellungen und tiefgehenden Depressionen. Seine inneren Dämonen bekommt er nicht unter Kontrolle. Ein genialer Textschreiber, dessen Spinnereien ausarten und hoffnungslos bleiben.
Genie und Wahnsinn liegen auch hier dicht beieinander, "Part Time Punks" aus dem Jahre 1978 scheint ein ewiger Klassiker der Band zu bleiben. Dann kommt eine neue Generation von Musikern zu Wort. Diverse Bands und Künstler von Morrissey über Pastels, Nirvana, Pavement bis hin zu Robbie Williams lassen sich von TVPs Musik beeinflussen. Radiolegende John Peel gilt als unvergesslicher Supporter der Kultband.
Ein heiteres Kommen und Gehen innerhalb der Television Personalities nimmt seinen Lauf. Neue Veröffentlichungen gibt es dennoch kaum. Erst 1995 erscheint mit "I Was A Mod Before You Was A Mod" das nächste Album, dass aber leider wieder kaum beachtet wird. Ein Jahr später geht Treacy mit Liam Watson (Bass) und Sexton Ming (Schlagzeug) zum vorerst letzten Mal auf Tour. Der Songwriter geht von nun an alleine seinen Weg. "Don't Cry Baby ... It's Only A Movie" spielt er ausschließlich selbst ein und covert Titel von George Harrison, Jonathan Richman und Psychic TV. Danach kocht die Gerüchteküche in allen Häusern. Von Drogensucht, Obdachlosigkeit bis hin zu Gefängnisaufenthalten auf einem Boot vor seiner Heimat ist die Rede. Treacy ist auf jeden Fall für einige Zeit nicht mehr aufzufinden.
Nach einer zweijährigen Pause, mag sie hinter Gittern gewesen sein oder auch nicht, bietet sich eine Reunion bestens an. Treacy verträgt sich wieder mit seinem alten Schulfreund Ed Ball und 2006 erscheint mit "My Dark Places" ein düsteres Lebenswerk auf Domino Records. Nicht wenige Kritiker schreiben sie als Parallele zum 85er-Meisterwerk "The Painted Word" hoch. Zuvor darf sich der Fan aber noch auf ein Re-Release einiger Raritäten freuen. "Fashion Conscious" ist eine durchgeknallte Compilation mit Eigenkompositionen und eigenwilligen Covers. So lieben ihn seine Fans! Dan Treacy! Punks Not Dead!
© Laut
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