Sero
Identität ist gar nicht so einfach zu finden. Wenn man deutsche und tunesische Eltern hat und dann in Schöneberg auf die Welt losgelassen wird, als blonder Araber zwischen Rappern und Sprayern, da kann es schon einmal knifflig sein zu raffen, was die Welt eigentlich von einem will.
Sero lebt trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Hintergrundes einen gezackten Weg: Wieder weg von der Straße kehrt er nach Hause zurück, schreibt Abitur und tobt sich in mehreren Studiengängen aus, ohne sie abzuschließen. Von Psychologie über Ingenieurswesen bis hin zu Regie gibt er allem mal eine Chance, was ihm gerade interessant vorkommt, beendet wiederum aber auch nichts: Es ist immer noch der alte Traum, der ihm in den Knochen steckt.
Also kratzt er sein letztes Geld zusammen, bastelt eine kleine Demo und findet über Umwege zu Four Music, die das Talent direkt unter Vertrag nehmen. So überzeugt sind die davon, dass sie seine Debütsingle mit Gusto beschreiben. "Wie aus dem Nichts landet plötzlich dieser Song im Internet. Der Titel: 'Holy', seine Wirkung: enorm. Gleich der erste Track von Sero stößt Deutschrap vor den Kopf", tönt es da, vielleicht ein bisschen übermotiviert, denn bis heute knackt der Song gerade so die 200.00 Aufrufe.
Nicht zu leugnen ist jedoch, dass die Nummer einen Artist zeigt, der Talent hat. Gute Stimme, guter Flow, interessante Ästhetik. 2017 legt er sein Debütalbum "One And Only" nach, macht die Runde in der Szene und spielt seine ersten ausverkauften Shows und Touren, klopft einmal den Festival-Circuit ab. Potential ist vorhanden, würde ihm ein jeder attestieren, aber der Durchbruch braucht noch seine Zeit.
2019 kommt dann nach und nach eine Single auf die andere, kleine EPs ziehen ins Land, denn bis zum nächsten Album-Statement braucht es noch ein ganzes Jahr. Im Dezember 2020 folgt sein großes Herbst-Album, ein kühler Kopf voller Reue und Melancholie gegen das etwas gottkomplexige Debüt. "Regen" baut mit jeder neuen Single mehr Hype auf, die zeitgemäß emo klingende Produktion und Seros raue Stimme finden Anklang.
Vielleicht beweist sich da, dass ehrliches Talent am Ende doch den längsten Weg geht. Er hat all die Machenschaften, um sich langfristig in der Szene zu etablieren und nebenbei auch eine Ästhetik, die man im deutschen Raum noch nicht all zu oft gesehen hat. Sollte er die Energie beibehalten, mit der er sich gerade durch die Musikwelt beißt, dann sollte ihm wenig im Wege stehen, sich bald mit den Großen messen zu können.
© Laut
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