Noah Slee
Will man Noah Slees Schaffen und Begabungen gerecht werden, kommt man nur schwer ohne die Verwendung von Schrägstrichen aus. Der Sänger/Songwriter/Beatmaker/Multiinstrumentalist bedient ein Repertoire, ähnlich variantenreich und für äußere Einflüsse offen wie sein gesamter Lebenslauf. Dass die Wurzeln eines aufstrebenden Neo-R'n'B/Future Soul-Musikers aus Berlin in einem kleinen neuseeländischen Städtchen liegen, markiert nur den Anfang einer aufregenden musikalischen Sozialisation.
Später beruft sich Noah nämlich auf seine Kindheitstage in Neuseeland, kommt die Rede auf die indigenen Bestandteile seiner Musik. Nach seinen ersten musikalischen Gehversuchen, unterstützt von seinem Vater, reift im Sohn allerdings schnell die Erkenntnis, das ländlich geprägte Umfeld seiner Heimat blockiere ihn in seiner Entwicklung. Die nächstgelegene Metropole, Brisbane im benachbarten Australien, wird zum Ziel des mittlerweile jungen Erwachsenen. Dort lernt er Local-Producer wie Yahtzel und LDRU kennen und veröffentlicht erste Songs im Internet, die zunächst nur wenig Beachtung finden.
Was dann folgt, soll Slees Karriere wenig später den entscheidenden Drift geben. Getrieben vom Interesse an Kulturen und Musikgeschichte, zieht es den Mittzwanziger in die deutsche Hauptstadt Berlin. Umgehend beginnt er, sich ein Umfeld aus Beatmakern und Szenemenschen aufzubauen. Kurze Zeit später gerät er an das Produzententeam KitschKrieg, das zu dieser Zeit kurz vor dem Durchbruch mit Trettmann steht.
Innerhalb weniger Monate entsteht die gemeinsame EP "To Your Inner Hippie & Cos You Fly As Fuck". Darauf bündelt Slee erstmals schlüssig seine musikalische Vision. Er lernt, seinen gefühlvollen, souligen Gesang auf radiotaugliche Songstrukturen zu übertragen. Die flächigen Produktionen tun ihr Übriges. Mit "Can't Let Go" entsteht der erste Mini-Hit, er erhält landesweite Reputation bei Bloggern und Radiostationen.
Nach einem gelungenen und vielbeachteten Boiler Room-Set wird auch die Stuttgarter YouTube-Instanz Majestic Casual auf den Neuseeländer aufmerksam. Zusammen wollen sie das für den Frühjahr 2017 angepeilte Debütalbum "Otherland" vermarkten. Dafür tut sich Slee mit Future-Beat-Wunderkind Ben Esser zusammen, der den musikalischen Fokus mehr auf Noahs Herkunft legt. Die Beats sind plastischer und erinnern in ihren besten Momenten an Kaytranada oder Mura Masa. Slee landet bereits im Vorfeld vertibale Hitsingles wie das schwer poppige "Radar" oder das groovig-treibende "Lips".
Auf dem Album spricht er zudem erstmals offen über seine Homosexualität. Im entwaffnend ehrlichen "Told" fragt er sich: "Is it my fault? / What am I running from?" Das Paradoxon dabei: Der Song funktioniert dank Funk-infiziertem Beat und catchiger Hook auch ohne den ernsten Hintergrund. Genau darin liegt die vielleicht größte Stärke des Wahl-Berliners: Sowohl auf lyrischer als auch auf musikalischer Ebene hat er viel zu bieten und zu erzählen. Immer vielschichtig, energetisch und reich an Ideen.
© Laut
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