Lil Tecca
Rappende Nerds sind auf dem Vormarsch. So titelt es zumindest 2019 der Kanal Hip Hop-Madness. Damit meinen die Macher aber nicht, dass MCs auf einmal die obskureren Ecken der Popkultur entdeckt hätten, wie der Wu-Tang oder The Pharcyde es schon in den frühen Neunzigern taten. Er meint damit, dass Rapper inzwischen immer öfter wie Nerds auszusehen. Und damit meint er eigentlich allen voran Lil Tecca.
Lil Tecca ist zu diesem Zeitpunkt gerade 17 Jahre alt, hat ein wenig Probleme, in der Schule Anschluss zu finden, zockt ab und zu Call of Duty auf der X-Box und hat den in jener Woche größten Streaming-Song der Welt auf dem Kerbholz: "Ransom". Ein perfekter Sturm, perfekt zugeschnitten auf einen weiteren perfekten One-Hit-Wonder, mutmaßt man hinter vorgehaltener Hand schon.
Eines der One-Hit-Wonder-Symptome ist es eben auch, dass es über den Aufstieg des Lil Tecca fürwahr wenig zu berichten gibt. In der fünften Klasse sieht er Chief Keefs "I Don't Like", das Musikvideo, das ungefähr jeden ab 2016 populären MC zum rappen inspirierte, danach hört er ab und zu Lil Wayne, Eminem oder Coldplay und wegen ein bisschen Gestichel in der Call Of Duty-Lobby nimmt er einen ersten Disstrack gegen seinen Gaming-Homie auf.
Das auf Soundcloud zu stellen ist ein Moment, der kommt und geht, wie er jeden Tag wohl tausende Male kommt und geht. Aber Tecca bleibt dabei, nimmt zwischendurch auch Disstracks für Mitschüler auf, und erst, als seine Schulleitung das mitbekommt, verschwindet sein Material online. Aber der Spaß an der Musik ist entdeckt, ein paar Connections sind geknüpft und in seiner Freizeit verzieht sich Tecca nun je nach Budget nach Kanada oder an die Westküste, um Musik zu machen. Gerade die North-Side hat ein paar Dudes in petto, die einen ganz interessanten Flow herumprobieren. Tecca gefällt's und er nimmt ihn auch einmal auf. Und der geht ungefähr so: "I got red – i got blue – what you want".
"Ransom" ist ein Megahit, der sich jeder Erklärung entzieht, was ihn eigentlich so gut macht. Aber er funktioniert. Er funktioniert phänomenal. Produktion von Juice WRLD-Hintermann Nick Mira, ein Video von Lyrical Lemonade, ein bisschen Backing von einem größeren Label und schon schanzt die Nummer die Streaming-Dienste hinauf. Ein erstes Album mit "We Love You Tecca" folgt, so lange das Eisen noch heiß ist.
Und ja, es ist auch die etwas ungewöhnliche Erscheinung, die Tecca erfolgreich macht. Ein sympathischer junger Kerl, aber spindeldürr und immer etwas abwesend im Blick, wirkt er wie der perfekte Deadpan, dem man den Erfolg auch gönnt. Auch wenn "We Love You Tecca" nicht direkt eine Erfolgsgeschichte schreibt und einiges zu verbessern aufgibt, bleibt doch das Gefühl zurück, dass die Szene Tecca eigentlich Erfolg gönnen würde. Er muss ihn sich nur noch einholen.
© Laut
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