Cursive
"You gotta sink gotta sink gotta sink to swim, impersonate greater persons, cause we all know art is hard, when we don't know who we are."
Eine Zeile, die die Cursive-Mitglieder höchstwahrscheinlich am liebsten den meisten Bands auf dem Allerwertesten tätowieren würden. Der beißende Zynismus in Richtung von Phantom-Schmerzen gequälte Heulbojen in "Art Is Hard" erklärt sich durch den hakenschlagenden Lebenslauf des Bandleaders. Denn Tim Kasher scheitert. Immer wieder.
Offenbar ist der Mann schwer beziehungsunfähig. Zumindest befasst sich das Cursive-Oeuvre mal mehr, mal weniger offensichtlich mit seinem zwischenmenschlichen Scheitern. Hier geht es nicht um vorgeschobenen Kummer oder aufgesetzten Weltschmerz, etwa weil das gerade als en vogue gilt. Stattdessen kreiert die Band bis in die Haarstoppeln authentischen Indierock. Auch wenn das nach Pressetext klingt: Musik ist hier Herzensangelegenheit.
Die Geschichte von Cursive beginnt 1995 in der Einöde von Omaha, Nebraska. So langweilig die Adoleszenz im mittleren Westen, so spannend die Folgen: Die Jugendlichen kanalisieren ihre Kreativität in Bands - so auch Tim Kasher. Als Conor Oberst und Robb Nansel die heute viel gerühmte Plattenfirma Saddle Creek aus der Taufe heben, gibt es Cursive bereits seit zwei Jahren. Zu den Gründungsmitgliedern gehören neben dem charismatischen Frontkauz Bassist Matt Maginn, Gitarrist Steve Pederson und Clint Schnase an den Drums.
Mit der Vinylsingle "The Disruption" feiern die vier Freunde ihr Debüt auf dem Kleinlabel. Gemeinsam mit dem damals gerade erst 16-jährigen Conor Oberst singt und spielt Kasher auch bei Commander Venus. In dieser Zeit wurzelt die freundschaftliche Konkurrenz der beiden Songwriter, die die weiteren Karrieren prägt.
Die ersten Outputs bringen Cursive in Omaha den Ruf als talentierte Emo-Noiserock-Emporkömmlinge ein. Kashers Stimme pendelt zwischen zurückgezogener Verzweiflung und frenetischer Wut. Schroffe Gitarren und treibendes Schlagzeug geben sich ebenfalls manisch depressiv. In beinahe jedem Song brennt die Band ein Laut-Leise-Feuerwerk ab.
Die Full Length-Premiere erfolgt 1997 mit "Such Blinding Lights For Such Starving Eyes". Das via Crank! veröffentlichte Album klingt sehr rau und trocken, lässt aber Talent für große Melodien erahnen. Nach einem zweiten Album legen die Mitglieder die Band vorerst auf Eis, um eigenen Projekten nachzugehen.
Alles neu im Hause Cursive macht dann das neue Jahrtausend: Ted Stevens übernimmt den Platz von Gitarrist Steve Pederson, der sich wieder seiner Uni-Ausbildung widmet. Cello-Virtuosin Gretta Cohn komplettiert das neue Line-up. Währenddessen betreibt Kasher mit The Good Life seit 2000 auch eine Zweitband, bei der es etwas ruhiger zugeht.
Das Konzeptalbum "Domestica" gerät noch autobiografischer als der Vorgänger, denn es erscheint genau während Kashers Scheidung. Der Songwriter erzählt die Geschichte eines Paares vom berühmten ersten Blick bis zum desaströsen Scheitern. Private Tiefschläge motivieren ihn jedoch stets zu Katharsis und musikalischen Höchstleistungen. Auf der anschließenden Tour spielen Cursive unter anderem als Vorband von At The Drive-In.
Das 2003er Album "The Ugly Organ" bedeutet schließlich den Durchbruch, die Kritiker in den USA und Europa überschlagen sich mit Lobhuldigungen. Mehr als je zuvor wirkt neben der titelgebenden Orgel das Cello im Bandkontext unverzichtbar. Cohn ist das Zünglein an der Waage, das einen Song entweder Richtung Dissonanz schubst oder eine fokussierte Soundattacke anstößt. Die Lyrics bilden erneut Kashers zerrissene Persönlichkeit und eine enorme emotionale Bandbreite ab. Es gibt Interludes, die die Stücke zu einem organischen Ganzen verweben, und ein Schlussstück voll kathartischer Dramatik, in dem fast die gesamte Saddle-Creek-Clique als Chor auftritt.
Im Sommer 2005 meldet die Band den Abgang von Cohn, gleichzeitig kündigt die Band an, keinen Ersatz für sie suchen zu wollen. Auch an den Drums gibt es in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Veränderung. 2007 steigt Gründungsmitglied Schnase aus und übergibt die Sticks an Cornbread Compton von Engine Down. Der wiederum verfolgt ab Frühjahr 2009 andere Projekte und überlässt den Hocker hinter den Drums Cully Symington.
© Laut
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