Busy Signal
"Sound The Big Thing Dem!" Im Windschatten dieses Schlachtrufs entert ein Mann die Bühnen der Dancehall-Welt, dem die Szene schon mit seiner Debüt-Single "Step Out" das Zeug zum nächsten Superstar des Genres attestiert. Das erstaunt um so mehr, da Busy Signal die herrschenden Gepflogenheiten auf den Kopf stellt.
Statt wie in Dancehall-Kreisen üblich wie am Fließband über die angesagtesten Riddims zu singen, um mit irgendeiner Nummer einen Treffer zu landen, wählt Busy Signal einen anderen Weg. Er setzt auf ausgefeiltes Songwriting, Storytelling und speziell auf seine Tracks zugeschnittene Produktionen.
"Ich hasse es, zu schreiben", erklärt ein Künstler, der dessen ungeachtet als einer der vielseitigsten Texter im Geschäft gilt. Wer jedoch seine Lyrics im Kopf und eine ordentliche Portion Freestyle-Talent hat, darf den Stift getrost beiseite lassen.
Geboren in Tivoli Gardens im Westen Kingstons beginnt Reanno Gordon seine Gesangskarriere wie so viele seiner Landsleute im Kirchenchor. Nach dem Gottesdienst hat er jedoch noch lange nicht genug: Er singt im Kreise der Kumpels an der nächsten Straßenecke weiter. Zweckentfremdet umgetextete Kirchenlieder lässt Mama Gordon dabei allerdings nicht durchgehen.
Reanno, eigentlich Glendale, dem ein Freund ob seiner Umtriebigkeit den Spitznamen Busy Signal verpasst, verlegt sich auf das weltlichere Repertoire seines Idols Bounty Killer, dessen Texte er komplett auswendig zu kennen behauptet. Damit sichert er sich bereits in der Schule die ersten Fans.
Ab etwa 2003, inzwischen auch mit eigenem Material im Gepäck, mischt Busy Signal die Dancehall-Szene auf. In den Reihen von Bounty Killers Alliance, in denen sich darüber hinaus die Kollegen Elephant Man, Mavado und Wayne Marshall finden, macht er unter den gestrengen Augen des bewunderten Mentors die ersten Karriereschritte.
Aus einem öffentlich schwelenden Streit hält sich Busy Signal clever heraus: "Bounty Killer und Beenie Man haben sich mit ihren Texten bekriegt, wie einst Biggie und Tupac", so sein Statement gegenüber unitedreggae.com. "Mich geht das nichts an. Ich höre Bounty Killer-Tunes, die mir reinlaufen, und Beenie Man-Tunes, die mir reinlaufen. Beide sind groß."
Internationale Aufmerksamkeit bescheren Busy Signal, der mittlerweile in den Line-Ups sämtlicher jamaikanischer Festivals von Bedeutung mitmischt, seine Singles "Step Out" und "Born And Grown" aus dem Jahr 2005. Das ebenfalls "Step Out" betitelte Debüt-Album, veröffentlicht auf dem eigenen Label Network Records, folgt im Frühjahr 2006.
Spuren von Hip Hop und Gäste wie Mykal Rose zieren das zweite Album "Loaded". Regelmäßig unterhält er mit seinen Achterbahnfahrt-rasanten Shows insbesondere in Mitteleuropa die Leute, auf ausgedehnten Tourneen.
Themenvielfalt und Sprachgewalt beherrschen Busy Signals Schaffen, wobei sich der Themenzuschnitt mehr und mehr Richtung Girls (Gyals) verlagert. Mit dem Image, das Dancehall trotzdem anhaftet, ist er nicht glücklich: "Ich könnte eine Wohltätigkeitsveranstaltung aufziehen, die Bücher für Kinder bereitstellt, oder etwas in der Art, und niemand würde etwas davon mitbekommen", erregt er sich im Interview.
"Wenn ich aber jemanden prügeln oder erschießen würde, die Berichte darüber würden kein Ende nehmen. Die Leute versuchen, Dancehall zu töten, indem sie das Negative hypen und das Positive unter den Teppich kehren. Aber sie werden niemals die Musik töten können. Die Musik ist größer als all das."
Die Musik mag ihm auch Halt geben, als er 2012 an die USA ausgeliefert wird und - teurer Spaß - zahlreiche Festival-Gigs in Europa canceln muss. Bereits 2002 war er in Minnesota vor einer Gerichtsverhandlung wegen Kokainhandels geflohen, und das holt ihn nun ein. Nun stellt sich auch heraus, dass er die ganze Zeit unter falschem Namen unterwegs war. Gefahndet hatte man nach einem Glendale Goshia Gordon, so heißt Busy wirklich, geboren am 24. Januar 1982.
Nach sechsmonatiger Haft hinterlegt er eine Kaution, kehrt nach Jamaika zurück und veröffentlicht dort mit "Missing You" oder "Come Over" viel beachtete Tracks. Auch sein Feature auf "Watch Out For This (Bumaye)" mit Major Lazer kommt gut an.
Neue Songs werden dennoch rar, erst mit "Stay So" gibt es Ende 2017 wieder Nachschub, und mit dem proppenvollen "Pieces Of The Puzzle" auch im Herbst 2019 wieder ein ganzes großes Album voller Pop-Dancehall.
© Laut
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