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Etwas besseres hat der gemeine Freund eingängiger Synth-Pop-Rock-Hymnen in letzter Zeit nicht zu Ohren bekommen: Ein zirpender Synthie, gellendes Motiv eines Stückes, an dem in den vergangenen Wochen kaum ein Weg vorbeiführte, für immer ins klangliche Erinnerungsvermögen eingeschrieben. Dazu butterweich vorgetragene Lyrics, die in üppiger Orchestrierung verebben, dringliche Electronica-Elemente, mehrstimmig übereinander gelagerte Gesangsspuren und ein Saxophon-Solo, so seventies, wie es zuletzt nur von Dan Bejar Destroyer zu hören war.
Glitzernd, brillierend, größenwahnsinnig: So klingt "Midnight City", Killersingle und Vorbote des neuesten Werks von M83. Neugier und Vorfreude stiegen gleichermaßen ins Unermessliche, zur selben Zeit antizipierte man unschöne Szenarien im Kopf: Was, wenn die Unwiderstehlichkeit des transluzenten Übersongs einsamer Höhepunkt des sechsten Studioalbums bleiben sollte?
Doch das ist kaum zu befürchten. Wäre die Musik des Perfektionisten Anthony Gonzalez für ihn allein bestimmt, säße er wohl noch immer in der Isolation seiner Studiowände und frickelte am ersten Track des insgesamt 22 Stücke starken Doppelalbums "Hurry Up, We're Dreaming".
Das beginnt mit waberndem Vibrieren in der Luft, jäh durchstoßen von einem Synthesizer, der gebrochene Zweiklang-Akkorde klimpert. Konspirativ flüstert eine Frauenstimme. Das Wabern weitet sich zu hellen Flächen aus, schallend ruft es dazwischen: "Carry on! Carry on!". Dumpf setzt die Bassdrum ein, Glockenspiele flimmern, das Schlagzeug arbeitet sich an ausschweifenden Arrangements ab. Engelschöre und Blechbläser überhöhen das letzte Drittel des Stücks, der Abklang geschieht zu funkelnden Synth-Arpeggios.
Das "Intro" komprimiert im Grunde genommen die Essenz der Platte: Weitschweifige und großflächige Kompositionen, verhallter Gesang, Gesten zwischen Hybris und Pathos, zunehmende Dichte von Soundstruktur, Dynamik und Ausdrucksfülle, auf die klassisch Höhepunkt, retardierendes Moment und Ausklang folgen.
So reizt der Franzose die musikalische Spannungskurve aus. Aufpeitschend, fesselnd und aufwühlend geraten seine Tonfiguren. Selbst Zwischenstücke, die im Sturm der Klang gewordenen Befindlichkeiten mit Akustikgitarre und leisem Piano wie Ruhepunkte wirken ("Where The Boats Go", "When Will You Come Home?"), entwickeln Takt um Takt eine feierliche Gravität, die Rührung und Schauder evozieren.
Verfremdung findet selten statt, Kontraste werden meist bloß angedeutet, um dann vage ineinander zu verschwimmen. Das Gros des Werkes ist definiert durch Konsonanz und sakrale Erhabenheit, die Bezugspunkte aus den 80s mit Sinfonischem verbindet.
Eine eindringliche Phrasierung unterstreicht jeweils die Dramatik der Stücke. Gonzalez gelingt die Inszenierung seiner Gefühlswelten dort, wo er das elektronische Instrumentarium mit Akustik zusammenführt, ohne die Emphase zu ausladend werden zu lassen. Stellenweise aber gerät es gar zu aristokratisch, und der goldene Lack bröckelt unter den Strapazen von Leidenschaft und Zierde ("Steve McQueen").
Shoegaze übersetzt Gonzalez ins 21. Jahrhundert, indem er sich seiner Strukturelemente bedient und diese zu schillernd glänzendem Synthpop umformt, der der Nostalgie nach jenseitigen Welten frönt. Dies auch die inhaltliche Substanz des Albums, dessen Konzept um Träume und Unbewusstseinszustände kreist. Was klischiert klingen mag, entfaltet im Strom der ineinander fließenden Tracks Glaubwürdigkeit. Das Halbwache als Zentralmotiv legitimiert sich in so unscharfen Stücken wie "Soon, My Friend", "Fountains" oder "Echoes Of Mine": Ambient-aufwändige Klangsynthese mit Grillenzirpen und Vogelzwitschern.
Choral-Episches findet stets Einzug in den Songreigen: Selbst das überraschend leichtfüßige "Raconte-Moi Une Histoire" und "Claudia Lewis", das Achtziger kaum sein könnte, wenden sich zusehends rauschender Intensität zu. Ebenso "Wait", das zunächst sanft zu Gitarre und Flageolett federt, steigert sich in eine Melancholia-Tirade, die gut Lars von Triers neueste Weltuntergangsfantasien begleiten könnte.
Das "Outro" entlässt den Hörer nach gut 70 Minuten in den Zustand persönlicher Katharsis. "The city is my church": Die nächtliche Stadtszenerie ist still und leer, bloß Stimmen prallen ab an Mauern und Wolkenkratzern und werfen ein leises Echo zurück.
© Laut
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M83, Composer, Lyricist, MainArtist
2011 M83 Recording Inc 2011 M83 Recording Inc / naïve
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Albumbeschreibung
Etwas besseres hat der gemeine Freund eingängiger Synth-Pop-Rock-Hymnen in letzter Zeit nicht zu Ohren bekommen: Ein zirpender Synthie, gellendes Motiv eines Stückes, an dem in den vergangenen Wochen kaum ein Weg vorbeiführte, für immer ins klangliche Erinnerungsvermögen eingeschrieben. Dazu butterweich vorgetragene Lyrics, die in üppiger Orchestrierung verebben, dringliche Electronica-Elemente, mehrstimmig übereinander gelagerte Gesangsspuren und ein Saxophon-Solo, so seventies, wie es zuletzt nur von Dan Bejar Destroyer zu hören war.
Glitzernd, brillierend, größenwahnsinnig: So klingt "Midnight City", Killersingle und Vorbote des neuesten Werks von M83. Neugier und Vorfreude stiegen gleichermaßen ins Unermessliche, zur selben Zeit antizipierte man unschöne Szenarien im Kopf: Was, wenn die Unwiderstehlichkeit des transluzenten Übersongs einsamer Höhepunkt des sechsten Studioalbums bleiben sollte?
Doch das ist kaum zu befürchten. Wäre die Musik des Perfektionisten Anthony Gonzalez für ihn allein bestimmt, säße er wohl noch immer in der Isolation seiner Studiowände und frickelte am ersten Track des insgesamt 22 Stücke starken Doppelalbums "Hurry Up, We're Dreaming".
Das beginnt mit waberndem Vibrieren in der Luft, jäh durchstoßen von einem Synthesizer, der gebrochene Zweiklang-Akkorde klimpert. Konspirativ flüstert eine Frauenstimme. Das Wabern weitet sich zu hellen Flächen aus, schallend ruft es dazwischen: "Carry on! Carry on!". Dumpf setzt die Bassdrum ein, Glockenspiele flimmern, das Schlagzeug arbeitet sich an ausschweifenden Arrangements ab. Engelschöre und Blechbläser überhöhen das letzte Drittel des Stücks, der Abklang geschieht zu funkelnden Synth-Arpeggios.
Das "Intro" komprimiert im Grunde genommen die Essenz der Platte: Weitschweifige und großflächige Kompositionen, verhallter Gesang, Gesten zwischen Hybris und Pathos, zunehmende Dichte von Soundstruktur, Dynamik und Ausdrucksfülle, auf die klassisch Höhepunkt, retardierendes Moment und Ausklang folgen.
So reizt der Franzose die musikalische Spannungskurve aus. Aufpeitschend, fesselnd und aufwühlend geraten seine Tonfiguren. Selbst Zwischenstücke, die im Sturm der Klang gewordenen Befindlichkeiten mit Akustikgitarre und leisem Piano wie Ruhepunkte wirken ("Where The Boats Go", "When Will You Come Home?"), entwickeln Takt um Takt eine feierliche Gravität, die Rührung und Schauder evozieren.
Verfremdung findet selten statt, Kontraste werden meist bloß angedeutet, um dann vage ineinander zu verschwimmen. Das Gros des Werkes ist definiert durch Konsonanz und sakrale Erhabenheit, die Bezugspunkte aus den 80s mit Sinfonischem verbindet.
Eine eindringliche Phrasierung unterstreicht jeweils die Dramatik der Stücke. Gonzalez gelingt die Inszenierung seiner Gefühlswelten dort, wo er das elektronische Instrumentarium mit Akustik zusammenführt, ohne die Emphase zu ausladend werden zu lassen. Stellenweise aber gerät es gar zu aristokratisch, und der goldene Lack bröckelt unter den Strapazen von Leidenschaft und Zierde ("Steve McQueen").
Shoegaze übersetzt Gonzalez ins 21. Jahrhundert, indem er sich seiner Strukturelemente bedient und diese zu schillernd glänzendem Synthpop umformt, der der Nostalgie nach jenseitigen Welten frönt. Dies auch die inhaltliche Substanz des Albums, dessen Konzept um Träume und Unbewusstseinszustände kreist. Was klischiert klingen mag, entfaltet im Strom der ineinander fließenden Tracks Glaubwürdigkeit. Das Halbwache als Zentralmotiv legitimiert sich in so unscharfen Stücken wie "Soon, My Friend", "Fountains" oder "Echoes Of Mine": Ambient-aufwändige Klangsynthese mit Grillenzirpen und Vogelzwitschern.
Choral-Episches findet stets Einzug in den Songreigen: Selbst das überraschend leichtfüßige "Raconte-Moi Une Histoire" und "Claudia Lewis", das Achtziger kaum sein könnte, wenden sich zusehends rauschender Intensität zu. Ebenso "Wait", das zunächst sanft zu Gitarre und Flageolett federt, steigert sich in eine Melancholia-Tirade, die gut Lars von Triers neueste Weltuntergangsfantasien begleiten könnte.
Das "Outro" entlässt den Hörer nach gut 70 Minuten in den Zustand persönlicher Katharsis. "The city is my church": Die nächtliche Stadtszenerie ist still und leer, bloß Stimmen prallen ab an Mauern und Wolkenkratzern und werfen ein leises Echo zurück.
© Laut
Informationen zu dem Album
- 1 Disc(s) - 22 Track(s)
- Gesamte Laufzeit: 01:13:22
- Künstler: M83
- Komponist: M83
- Label: M83 Recording Inc
- Genre: Pop/Rock Rock
2011 M83 Recording Inc 2011 M83 Recording Inc / naïve
Auszeichnungen:
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