Barry Manilow
In einer Episode der britischen Kultserie "The Young Ones" träumt einer der WG-Bewohner von der Hölle. Dort foltern zwei drollige Zwerge eine arme Seele. Erst hauen sie ihr eine Sahnetorte ins Gesicht, um sie anschließend mit Bier abzuspülen und die Reste mit Stahlwolle zu entfernen. Doch das Übelste kommt zum Schluss: Sie setzen dem Gepeinigten Kopfhörer auf und spielen Barry Manilow. Das Leid, das folgt, ist unerträglich.
Es ist nur eine Geschichte von vielen, denn kaum ein Musiker hat im Laufe seiner Karriere soviel Häme ertragen müssen wie der "Schmusesänger" aus den USA. Dabei ist er ein Superstar, der seit den 70er Jahren auf einer kaum unterbrochenen Erfolgswelle schwebt.
Mit dem Namen Barry Alan Pincus kommt er 1943 in Brooklyn zur Welt. Als Jugendlicher lernt er, Klavier zu spielen. Nach dem Schulabschluss nimmt er ein Studium am New York College of Music auf. Nebenbei jobbt er bei CBS, wo er den Auftrag erhält, sich um ein Arrangement für das Theaterstück "The Drunkard" zu kümmern. Kurzerhand schreibt er die gesamte Musik und verbucht damit einen ersten Erfolg. Die nächsten Jahre verbringt er damit, Jingles für Werbespots zu schreiben, darunter für Kloreiniger, Mittel gegen Pickel, Kentucky Fried Chicken und den Pflaster-Hersteller Band Aid.
In der ersten Hälfte der 70er Jahre ist Manilow, der nach der Scheidung seiner Eltern den Mädchennamen seiner Mutter angenommen hat, als Pianist und Produzent für Bette Midler tätig. Sein erstes, selbstbetiteltes Album (1973) interessiert zunächst nur wenige, bis ein Jahr später "Barry Manilow II" mit der Single "Mandy" erscheint. Den ersten großen Erfolg feiert der Songwriter mit einem Stück, dass er nicht selbst geschrieben hat.
Im Anschluss folgt eine Hitplatte auf die nächste. Zu seinen bekanntesten Songs zählen "Looks Like We Made It", "Daybreak", "Can't Smile Without You", "Copacabana (At the Copa)" und "I Write The Songs" (das allerdings von Bruce Johnston von den Beach Boys stammt). Mit "Greatest Hits" gelingt Manilow 1978 auch in Großbritannien der Durchbruch. In London spielt er zu Beginn der 80er Jahre in der ausverkauften Wembley-Arena und in der ebenfalls ausverkauften Royal Albert Hall.
Beeindruckende Erfolge, die ihm jedoch den Ruf einbringen, schnulzige, unbedeutende Balladen zu schreiben, wie viele Kritiker anmerken. Schwiegermutters Liebling, sozusagen, von der Jugend aber weitgehend belächelt.
Ein Urteil, das in den folgenden Jahrzehnten Bestand hat. Wie Rod Stewart nimmt Manilow ab den 90er Jahren nur noch Coverversionen auf und ist sich auch nicht zu schade, seinen Fans Weihnachtslieder und Broadway-Klassiker unterzujubeln. 1999 tritt er in einer Fernsehshow auf, in der Eiskunstläufer zu seiner Musik tanzen. Etwas ernsthafter geben sich die zwei Musicals, die er auf die Beine stellt: "Copacabana", benannt nach einem seiner bekanntesten Lieder, und "Harmony", das von den Comedian Harmonists handelt.
Nach einem Facelift ist Manilow seit 2005 als fester Entertainer im Las Vegas Hilton gebucht. Im Februar 2006 steigt er mit "The Greatest Songs Of The Fifties" vollkommen überraschend auf Platz eins der Billboard Charts ein – eine Position, die er seit den 70er Jahren nicht mehr inne hielt.
Dass seine Musik nach wie vor nicht den Geschmack aller trifft, zeigt sich allerdings wenige Monate später in Australien: Um Jugendgangs davon abzuhalten, sich am Wochenende in einem Wohnviertel zu versammeln, beschallen australische Behörden die Gegend von neun Uhr abends bis Mitternacht mit seinen Liedern.
© Laut
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