Tunng
Die ersten Schritte der Band könnten bescheidener kaum sein: Sam Genders tritt mit seiner Gitarre in Pubs auf, Mike Lindsay verdingt sich als Produzent und Komponist für Werbe-Jingles, unter anderem für Softpornos. Ihr Treffpunkt: Ein Studio im Keller unterhalb eines Londoner Klamottenladens, dessen Zugang über die Umkleidekabinen führt. "Wir konnten während der Öffnungszeiten nicht raus, weil wir sonst nackte Frauen erschreckt hätten", schreiben die zwei auf ihrer Webseite. Da sie sich nicht anders beschäftigen können, schreiben sie ein Lied nach dem anderen.
Die Kombination aus Singer/Songwritertum und Elektronikbastelei führt zu einer eigenen Musikform, die die britische Presse "Folktronica" nennt und die unter anderen auch Hanne Hukkelberg umfasst. Die ersten Ergebnisse präsentieren Tunng 2005 auf ihrem Debütalbum "Daughter And Other Songs", das auf den Kleinstlabel Static Caravan erscheint. Einen nennenswerten Erfolg erzielt es nicht, abgesehen von den Aufnahmen des Auszugs "Code Breaker" auf der Compilation "Future Folk".
Bei Auftritten offenbart die Band eine ganz andere Seele: Da Genders sich im ersten Jahr weigert, eine Bühne zu betreten, sucht sich Lindsay eine Livetruppe zusammen. Geordnete Abläufe oder zugewiesene Instrumente gibt es dabei nicht: Die Anwesenden spielen, was sie für richtig halten. Auf dem Zweitling "Comments Of The Inner Chorus" (2006) ist die Band zu einem Sextett angewachsen und umfasst neben Genders und Lindsay auch Ashley Bates, Phil Winter, Becky Jacobs und Martin Smith, der auf der Bühne auch mal Muscheln einsetzt. Neben Auftritten in Großbritannien spielen sie in den USA auf dem "South By Southwest"-Festival und in New York.
Mit ihrem Drittling "Good Arrows" (2007) gelingt es Tunng, in ihrem Keller Pop, Folk und Elektronik zu einem organischen Ganzen zu formen. Die Grundlage stammt zwar immer noch vom Gründerduo, doch auch die anderen Mitglieder streuen Beiträge ein. "Alle zusammen zu sitzen und rumzujammen ist nicht unser Ding. Das Studio ist unsere Zentrale. Die Leute kommen und gehen und fügen ihre Gedanken und Ideen zu dem hinzu, was Sam und ich gerade spielen oder schreiben", erklärt dazu Lindsay.
Es bleibt ihr vorerst bestes Album. Nach dem Ausstieg Genders' bleibt zwar die kollektive Arbeitsweise, die Klänge gehen jedoch deutlich in einen poppigere Richtung, wie weitere Alben wie "And Then We Saw Land" (2010) und "Turbines" (2013) oder auch "Dead Club" (2020) unter Beweis stellen.
Ab 2018 betreibt Mike Lindsay gemeinsam mit Laura Marling noch das Nebenprojekt Lump. 2018 erscheint das erste gemeinsame, selbstbetitelte Album, 2021 folgt mit "Animal" ein zweiter sehr empfehlenswerter Longplayer.
© Laut
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