Bugge Wesseltoft
Das letzte Mal, als von Norwegen entscheidende Impulse für die Jazz-Welt ausgingen, waren Musiker wie Jan Garbarek oder Terje Rypdal beteiligt. Das war Anfang der 70er. 30 Jahre später hat eine Generation das Zepter übernommen, die mit Funk, Fusion, Rock'n'Roll und ethnischer Musik aufgewachsen ist. Die Erneuerer heißen heute Nils Petter Molvaer, Rebekka Bakken, Sidsel Endresen und Bugge Wesseltoft. Ihr Verständnis von Musik hat keinen Respekt vor der Zukunft. Sie setzen sich mit Coltrane-Transkriptionen ebenso auseinander, wie mit der Gebrauchsanleitung für Sampler.
Einer der führenden Köpfe im Vorder- wie im Hintergrund ist Bugge Wesseltoft. Auf seinem Label Jazzland hat er für die Szene eine Plattform geschaffen, die künstlerische Freiheit als Arbeitsbasis voraussetzt. Aber auch an der Front kämpft Bugge mit. Außergewöhnlich authentisch, individuell und intim präsentiert er sich im Duo mit Sidsel Endresen. Ihre filigranen Kompositionen überzeugen auf CD ebenso wie live.
Sein Projekt "New Conception Of Jazz" kümmert sich darum, den musikalischen Stumpfsinn aus den Clubs zu verbannen. Mit 4-To-The-floor-Beats, Improvisationen, DJs und Jazz-Changes überzeugt er die Generation X. "Meine Generation und die jüngeren Musiker haben erkannt, dass es möglich ist, künstlerische Eigenständigkeit zu bewahren und trotzdem Anerkennung zu finden. Diese Einstellung ist vielleicht in Norwegen stärker ausgeprägt als anderswo. Man braucht nur nach Dänemark zu gehen, dort sind 95% aller Musiker stark an dem orientiert, was in Amerika passiert."
Drehscheibe für die Aktivitäten bildet der Club Bla in Oslo, das norwegische Äquivalent zur Knitting Factory in New York. Hier treffen sich die Protagonisten der Dance-, Elektronik- und Jazzszene um ihre Erfahrungen und Visionen auszutauschen. "Die hiesige Szene ist sehr offen. Schon in den 80ern gab es starke Verbindungen zwischen der Folk-Szene und dem Jazz. Heute findet ein größerer Austausch zwischen der elektronischen und der Jazz-Szene statt, was ich persönlich viel interessanter finde."
Was ihn in seiner künstlerischen Arbeit vorantreibt, ist die Neugier. Jazzthing bringt es auf den Punkt: "An Wesseltoft beweist sich einmal mehr, dass Neugier der beste Motor für kontinuierliche künstlerische Äußerungen ist, alle Virtuosität jedoch nicht mehr als ein Werkzeug, dessen Handhabung sich für einen Musiker von selbst versteht."
Mit dem Album "Film'ing" schließt Bugge Wesseltoft 2004 die Akte 'New Conception Of Jazz', um seiner Neugier neue Befriedigung zu verschaffen. "Es ist das letzte Studioalbum, das ich mit diesem Projekt mache", sagt Bugge, der im selben Atemzug eingesteht, dass sich die Elektro-Jazz-Bewegung mittlerweile ein wenig totgelaufen hat.
"Im Moment denke ich, dass dies das Beste ist, was ich mit diesem Konzept erreichen kann. Ich muss mich erneuern." Für die Zukunft schwärmt er von arabischer, persischer und türkischer Musik, die seine Vorlieben für Jazz und Laptops in neue Dimensionen geleiten sollen. Erste Anzeichen davon sind in "Film'ing" zu hören, etwa wenn der tunesische Gastmusiker Dhafer Youssef seine Stimme erhebt.
Doch Bugge Wesseltoft verfolgt viele Konzepte, um den Puls der Zeit mit zu gestalten. "Ich wollte die Schönheit des Pianos herausstellen. Vor ein paar Jahren habe ich mir einen Steinway-Flügel gekauft, der einfach so unfassbar schon und warm und gut klingt", kommentiert er sein 2007er Soloalbum "IM". Darauf lotet er gekonnt die gültigen Ambientgrenzen mit seinem Steinway aus und verpflichtet für zwei Songs die samische Sängerin Mari Boine als Vokalistin.
2012 präsentiert Wesseltoft waschechte Jazzclassiker wie zum Beispiel "Moon River" oder "My Foolish Heart" in Eigeninterpretation. Das Album trägt den schlichten Titel "Songs" und ist für ihn zum wiederholten Mal eine Möglichkeit zu beweisen, dass er ein vielfältiger Jazzpianist ist.
© Laut
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