Kristjan Randalu
Aufgewachsen und sozialisiert in einer Musikerfamilie stellt sich die Welt als musizierende Kugel dar, in der das Erlernen eines Instrumentes als selbstverständlich gilt. "Meine Eltern sind beide klassische Pianisten und da wächst man auf mit dem Gefühl, die ganze Welt müsse Klavier spielen, auch man selbst."
So einfach ist es natürlich nicht. Das erkennt der in Estland geborene Kristjan Randalu zwar recht schnell. Dennoch ist es schon zu spät, ihn von einer ernsthaften Musikerkarriere abzuhalten. Die Möglichkeiten dazu verschafft er sich in Karlsruhe, wo er seit seiner Kindheit heimisch ist. Dort gründet er die ersten Bands und verbucht einige Schlüsselerlebnisse auf der Habenseite.
"Der Bruch kam, als die klassische Musik mit dem Pop kollidierte, den ich so hörte. Als ich die ersten eigenen Bands ausprobierte und merkte, dass das irgendwie anders und doch das Gleiche ist, ergaben sich für mich die ersten Berührungspunkte mit dem Jazz. Er hat mir gezeigt, wie man flexibel mit musikalischem Material umgeht."
Im Karlsruher Gymnasium lernt Randalu den polnisch-deutschen Schlagwerker Bodek Janke kennen. Eine schicksalhafte Begegnung, denn seit dieser Zeit arbeiten die Beiden an einem gemeinsamen Etwas, das im Lauf der Jahre immer deutlichere Konturen annimmt. "Man braucht einen langen Atem und man muss sich seiner Sache sehr sicher sein", beschreibt er die langen Jahre seiner vor sich hin mäandernden Karriere.
Dass diese sich keineswegs im Kreis dreht, sondern beständig den nächsten Schritt wagt, füllen mit den Jahren zahlreiche Veröffentlichungen als Sideman und unter eigener Regie das CD-Regal. Eine Leuchtturm-Funktion nehmen dabei Randalus Projekte mit der estnischen Sängerin Siiri Sisask, das Kristjan Randalu Quartett und seine Zusammenarbeit mit Bodek Janke ein.
Mit Sisask verbindet ihn neben der estnischen Heimat eine langjährige Freundschaft, dich sich erstmals 2002 ("Jälg") auf Tonträger darstellt. An die Geburtsstunde seines Quartetts erinnert sich Randalu nachhaltig, denn "ein paar Tage nach unserem ersten Treffen haben wir die Quartett-Platte 'Tidbits' (2004) aufgenommen." Wie es zu einer so spontanen Entscheidung kommen kann? "Bodek Janke (Schlagzeug) hatte mit Stephan Braun (Cello) zusammen in einem anderen Projekt gespielt und so kam der Kontakt zustande.
Ein paar Tage später war 'Tidbits' fertig. Das war der Anfang unseres Weges. Seither haben wir jedes Jahr ein paar Tourneen gespielt. Mit dieser Spielpraxis kann man eine musikalische Vertrautheit aufbauen, die es ermöglicht, den ganzen Fokus auf den Moment und die Musik zu richten - weil man auf so vieles zurück greifen kann, was man gemeinsam entwickelt hat. Ich meine damit nicht vorgefertigte Lösungen, sondern eine musikalische Ebene, welche die Bewegungsfreiheit garantiert."
Mit dabei, Bodek Janke am Schlagzeug. Die gymnasiale Begegnung stellt in vielerlei Konstellationen ihre Kreativität unter Beweis. Das in Szenekreisen vieldiskutierte Album "global.dance.kulture" (2008) und das Live-Dokument der Grupa Janke Randalu (2008) sind zwei ihrer gemeinsamen Werkschauen, doch die Schulfreunde gehen auch getrennt erfolgreiche Wege. Randalu tritt als Sideman von Hedvig Hanson, Tanel Ruben und Stephen Norfleet in Erscheinung und sitzt als Tastenmann beim The TransAtlantic Collective, Adam Niewood & his Rabble Rousers und The Henry Mancini Institute Orchestra am Klavier.
Nach seinem Musikstudium in Karlsruhe und Stuttgart, zieht es den umtriebigen Randalu 2001 zunächst nach London, zwei Jahre später nach New York. Seinen verschiedenen Heimaten verbunden, pendelt er mittlerweile zwischen Estland, Deutschland und Amerika. "Das Kristjan Randalu Quartet repräsentiert eine neue und aufregende Stimme in der modernen Musik. Ihr Zusammenspiel und ihre kompositorischen Talente sind inspirierend und erfrischend zugleich. Ich empfehle Ihnen unbedingt, sich ihre Musik anzuhören", lässt Schlagzeuglegende Peter Erskine aus den fernen USA verlauten.
Till Brönner schwärmt derweil, "Kristjan Randalu ist kein Jazzmusiker. Nein, er ist viel mehr. Er steht für eine Generation intelligenter Musikindividuen, die es geschafft haben, sich frei zu machen vom Druck schreiender Jazz-Priester, die nicht begreifen wollen, dass Jazz nur noch ein Randbereich musikalischer Erneuerungs-Plattformen ist."
Auch Herbie Hancock ist nach dem Thelonious Monk International Jazz Piano Wettbewerb 2006 in Los Angeles von Kristjan Randalu überzeugt: "Kristjan is a dazzling piano player." Davon singen auch die zahlreichen Preise ein Lied, die in Randalus Regal Staub ansetzen. Darunter 2002 der zweite Preis als Solo-Pianist beim Wettbewerb des Montreux Jazz Festival und der aussagekräftige Landesjazzpreis Baden-Württemberg (2007), über den sich bereits Cornelius Claudio Kreusch und Thomas Siffling freuten.
Über die Ausrichtung seines Quartetts beteurt er im Laut.de-Interview 2009 seine stilistische Unschuld: "Jazz ist so ein variabel einsetzbarer Begriff. Er bedeutet für viele Menschen ganz Unterschiedliches. Für mich verkörpert er aber aktuelle Musik, die jetzt entsteht und bei der die Spieler ganz maßgeblich an der Entstehung beteiligt sind. Wenn Du jetzt aber etwas Plakatives zu unserer Musik brauchst: 'between Modern Jazz & World Music'. So steht es zumindest auf der Website von unserem Booker."
© Laut
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