Veil and Quintessence

Albumbeschreibung

Seit 35 Jahren ist der Gitarrist Gábor Gadó, 1957 in Budapest geboren, eine Koryphäe der ungarischen Jazzszene, hierzulande aber kennen ihn anders als in Frankreich nur wenige. Was wohl auch ein wenig dem eigenen Desinteresse am Reisen sowie der Vorliebe fürs Komponieren und der Beschäftigung mit zeitgenössischer Literatur geschuldet ist. Wie Bohumil Hrabal versuche er, aus etwas, das ihn bewege, etwas Heiliges zu machen, sagt Gadó. Eine faszinierende Linie in seiner Musik führt zurück zu Gábor Szábo und Attila Zoller, deutlicher noch als bei Ferenc Snétberger, mit dem Gadó mal ein Gitarrentrio hatte. Anfangs spielte Gadó viel bei Hochzeiten oder anderen Festen und wurde sehr vertraut mit dem traditionellen Musikerbe seines Landes, natürlich auch mit Bartók, Kódaly und Kurtág. „Ich suche nach Bedeutung und Inhalten in allen Musiken.“ Seine Heimatstadt Budapest sei für ihn eine „Stadt der Illusionen“, erklärt er frei nach Borges. 1991 erschien in Ungarn ein erstes Album, worauf der ungarische Künstler in seiner Wahlheimat Paris ein fabelhaftes Quartett formierte (mit Mathieu Donarier, Sébastien Boisseau und Joe Quitzke, CD: „Byzantinum“). Auf all seinen Alben für das Budapester Plattenlabel BMC, die ein schmales Œuvre bilden, verlangt sich Gadó größte Genauigkeit ab – wie auf dem Album „Orthodoxia“, auf dem sein Blick rückgewandt und vorausschauend zugleich ist. Nach sieben Jahren Studioabstinenz ist jetzt „Veil And Quintessence“ da, bestehend aus feinziselierten Duos mit dem großen belgischen Trompeter Laurent Blondiau aus Andy Emlers MegaOctet. Ohne Aufschönungen und mit fokussierter Dialogbereitschaft spielen die beiden kunstvoll mit Licht- und Schattenwirkungen. Wie Marcel Schwob so treffend schrieb: „Die Kunst widerstrebt den Allgemeinbegriffen, sie stellt nur Einzelwesen dar, will nur das Einmalige.“
© Lippegaus, Karl / www.fonoforum.de