Fantasias

Albumbeschreibung

Die Kunst des Klavierduos GrauSchumacher ist diskret und scheint so gar nicht darauf aus zu sein, uns mit Virtuosität oder satt aufgefächertem Klang zu beeindrucken. So einfach wollen sie es ihrem Publikum nicht machen. Ich hatte das zufällige Glück des Blindhörens mit Schuberts f-Moll-Fantasie, dem kompositorischen Schwergewicht dieser CD. Was da aus dem Radio kam, zielte kaum auf Gefälligkeit. Das herrliche Hauptthema entfaltete sich in einer geradezu erfrorenen Starrheit, der Seitensatz polterte mit ruppiger Kahlheit vorbei. Dass hier zwei Interpreten das komplexe Spätwerk ganz und gar nicht als sinfonisch gedachte, romantische Gefühlsaussage ausbreiten wollten, offenbarte sich in eigentlich jedem Takt. Und doch zog mich dieses Spiel immer tiefer in die etwas leidgehörte Komposition. In dieser Eislandschaft interpretatorischer Untertreibungen erzeugt eine Andeutung die erstaunlichste Wirkung: Ein fast unmerkliches Ritardando vor dem Dur-Einsatz des Themas in der Final-Sektion wird zum großen, staunenswerten Augenblick. Auch Kenner des Werkes werden viele solcher Momente erleben. Das sprechende Detail gewinnt seine Vorherrschaft über die abgelebte große Geste zurück. Das gilt noch mehr für die meist allzu klangsatt gehörte erste Suite für zwei Klaviere von Rachmaninow. Die ersten Takte der Nr. 3 („In Tränen“) zeigen es exemplarisch. Berühmtere Duos wie Ax/ Bronfman und Argerich/Rabinovich lesen die Portato-Striche der Eingangsfigur als sentimentale Drücker und „machen“ etwas. Grau und Schumacher aber lassen diese Achtelnoten mit einer ungerührten Regelmäßigkeit auf die Tasten fallen, die dann tatsächlich melancholische Schauer erzeugt, auch wenn das kaum in ihrer Absicht gelegen haben dürfte. Wer Rachmaninows Klavierspiel kennt, ahnt, dass er hier sein Klangideal verwirklicht gefunden hätte. Eine Referenzeinspielung!
© Kornemann, Matthias / www.fonoforum.de