Vybz Kartel
Vom Dancehall-Star zum verurteilten Mörder: Der Werdegang von Adidja Palmer alias Vybz Kartel gleicht einer Achterbahnfahrt durch Himmel und Hölle.
Adidja Palmer wächst Mitte der Siebziger im jamaikanischen Portmore auf. Adidjas Onkel arbeitet regelmäßig als DJ, und so wird der kleine Jamaikaner bereits in frühen Jahren mit allerlei verschiedenen Musikrichtungen konfrontiert. Im Alter von zehn Jahren schreibt er seine ersten eigenen Texte.
Zwei Jahre später nimmt der quirlige Heranwachsende bereits seine erste Single "Fat Woman" auf. Der Erfolg hält sich jedoch in Grenzen. Erst im Jahr 1996 macht Adidja erneut von sich reden, als er die Band Vybz Cartel ins Leben ruft.
Drogen und interne Streitereien führen jedoch zu einer schnellen Auflösung der Formation. Adidja – mittlerweile vom Dancehall-Fieber gepackt – bleibt allerdings weiter am Ball und startet eine Solo-Karriere unter dem Pseudonym Vybz Kartel.
Es ziehen weitere Jahre ins Land, ehe der Musiker im Jahr 2003 endlich sein Debütalbum veröffentlicht ("Up 2 Di Time"). Der Auftakt gelingt. Schnell macht sich Vybz Kartel einen Namen in der Szene und veröffentlicht bis zum Jahr 2013 sieben weitere Alben.
Doch nicht nur seine eigenen Werke sorgen in der Dancehall-Community für Aufsehen, auch diverse Remixe und Kollabo-Projekte (Jay-Z, Rihanna, Missy Elliott, Busta Rhymes, Eminem) stoßen weltweit auf Begeisterung.
Alles könnte so schön sein, wäre da nicht Adidjas Hang zu kriminellen Machenschaften. Drogen, Gewalt, Waffen: Während die Welt zu seiner Musik tanzt, gerät Adidja Plamer mehr als einmal ins Kreuzfeuer der Justiz.
Trauriger Höhepunkt: Eine Mordanklage im Herbst 2011. Adidja soll zusammen mit zwei anderen Männern den Mord an dem 27-jährigen Geschäftsmann und Konzertveranstalter Barrington Bossie Burton geplant zu haben. Nach zwei Jahren in Untersuchungshaft wird Adidja Palmer im März 2014 schuldig gesprochen. Wenig später legt das Oberste Gericht in Jamaika das Strafmaß fest: Kartel muss lebenslänglich ins Gefängnis. Ende. Aus. Punkt.
Könnte man meinen: Nur zwei Jahre später veröffentlicht der mittlerweile 40-Jährige ein 14 Songs umfassendes Album mit dem Titel "King Of The Dancehall". Die bis zu diesem Zeitpunkt unveröffentlichten Tunes hatte Palmer noch vor seiner Inhaftierung aufgenommen.
Lange zuvor löst Kartel bei einer großen Radiosender-Kette im südamerikanischen Guyana eine senderintern intensiv diskutierte Verbannung off air aus. Einige Redakteure werfen ihm "anzügliche Texte" vor und bemängeln, er teile "nichts Positives" mit. Ein Präzedenzfall, der abschrecken soll: Den Boykott verknüpfen die betroffenen Sender mit der Drohung, dass weitere Artists mit ähnlichen Texten diesem Beispiel folgen könnten.
In seiner Heimat Jamaika bleibt Kartel dagegen nicht nur Teil der Programme – er stellt selbst Jahre nach der Inhaftierung einen der meistgesendeten Acts dar. Dieser Umstand verdankt sich unablässigem Nachschub. Es gibt Künstler*innen, die sich gerne mit Vybz Kartels Stimme abmischen lassen.
Denn Shenseea verdankt einer solchen Kombination ihren Durchbruch und massive Popularität. "Loodi" zeigt, wie es gehen kann. Man nehme eine alte, unveröffentlichte Tonaufnahme, recycele sie und verbinde sie mit einer neu eingesungenen Gesangsspur eines Newcomers, und fertig. Draußen merkt in der Regel kein Mensch, dass das Ganze nicht organisch entstand, und das Management von Vybz Kartel lässt solche Quasi-Kollabos laufen. Spice, Squash, Chronic Law – wer im Dancehall-Pop groß rauskommen will, featuret sich bestenfalls selbst auf einem Vybz-Tune.
Zudem schiebt Vybz Management fleißig weitere Videoclips nach, auf denen nur er zu hören, wenngleich meist nicht zu sehen ist. Selbst renommierte Riddim-Produzenten(-Teams) wie Good Good Productions oder ZJ Chrome schmücken so manche ihrer Riddim-Selections mit dem Inhaftierten. Dessen feste Stimme, Charisma und Bekanntheit versprechen Radio-Einsätze - die Anrüchigkeit wohl auch. Es scheint, als herrsche folgende Logik: Steht der Name Vybz Kartel in der Selection, wird auch der Rest eher gesendet. Jamaikanische Roots-Newcomer mit spirituellen Texten verdrießt dies mitunter.
Zudem stehen dem Sänger mit dem Schurken-Image und der Vergangenheit als Disser (gegen Mavado) große Vertriebsnetze offen. Wenn er mal auf einem Mixtape von Dre Skull auftaucht, bleibt er im Gespräch. Wenn 21st Hapilos Distribution oder das ehrwürdige Label Tad's Records seine Songs digital verbreiten, gelangt Vybz in die Streaming-Dienste. Wenn er regelmäßig Beiträge in der "Strictly The Best"-Serie von VP Records bekommt, wie in den Ausgaben 55, 57, 59 und 60 (alle nach der Inhaftierung), winken auch physische Releases dieser Sampler in Europa und den USA.
Alleine im Jahr 2019 erscheinen über 20 Singles mit Vybz Kartels Beteiligung: "Back Way", "Like I'm Superman", "In Stock", "Shape Nice", "Dem Nu Ready", "Day Rave", "Great", "Then You And Me", "Drone Dem", "Badmind", "One Way", "Beat Dem Bad", "Stand Strong", "Real Bad Gal", "Long Live Jamaica", "Sexiness", "Poco Whine", "Loving Every Minute", "Super Hero Love", "Come Ova", "Undisputed Champion", "Temptation", "Can't Get We Down", "My Gun", "Fully Gaza" et cetera (Auswahl). Das Video zu "Any Weather" kommt im ersten halben Jahr nach Release auf 22 Millionen YouTube-Wiedergaben. Der mutmaßliche und – so fragwürdig Beweislage und Umstände sein mögen – verurteilte Mörder bleibt einer der einflussreichsten Dancehall-Künstler der Welt.
Auch in Deutschland ist Vybz im Sommer 2020 plötzlich ein Thema. Weniger mit seinen neuen Alben "To Tanesha" oder "
Of Dons & Divas", die beide 2020 erscheinen, sondern vor allem, weil er neben Gzuz, Nena und anderen als Feature auf dem neuen Kitschkrieg-Produzenten-Album stattfinden wird.
Im März 2024 gibt der höchste Londoner Gerichtshof einer Berufung von Kartels Anwälten statt und hebt das Urteil wegen Mordes auf, weil seinerzeit einer der Geschworenen bestochen worden sein soll. Vybz Kartel kommt auf freien Fuß, zunächst ist aber unklar, ob der Fall in Jamaika noch einmal neu aufgerollt wird.
© Laut
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