Lee Fields
"In seiner langen Geschichte hat sich der Soul immer die Fähigkeit bewahrt, große Gefühle in den entlegensten Teilen der menschlichen Psyche zu berühren und hervorzurufen. Seit den Tagen, als Otis Redding 'Pain In My Heart' gesungen hat, bis zu der Zeit, in der Anthony Hamilton 'They Don't Know' singt."
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach den Debüts von James Brown und Aretha Franklin, weit nach den goldenen 70ern, dem Ende der Stax Records und des traditionellen Motown steht Lee Fields vor allem für eines: klassischen Soul der alten Schule.
Dementsprechend gestaltet sich auch sein Werdegang: Wie so viele seiner Vorbilder, meldet sich der junge Lee Fields beim örtlichen Kirchenchor seiner Heimatstadt Wilson im US-Bundesstaat North Carolina. Geprägt von den Memphis-Sounds der 60er um Al Green, Otis Redding und Isaac Hayes, aber selbstverständlich auch von den Temptations, Eddie Floyd und dem Godfather Of Soul, singt er bei der Aufnahmeprüfung einen James Brown-Song. Schnell hat er den Spitznamen Little JB weg.
"Das lag an der Ähnlichkeit, meine Stimme ist der von James Brown recht ähnlich. Ich glaube, das liegt auch an dem riesigen Einfluss, den er auf mich hatte und hat. Aber Leute, die meine Musik kennen und mögen, merken, dass es da einen Unterschied gibt. Einen gewaltigen Unterschied."
Mit der großen Gesangskarriere klappt es zunächst allerdings nicht. Als Mann der Tat produziert und veröffentlicht Fields Ende der 1960er deshalb kurzerhand auf seinem selbst gegründeten Indie-Label. Eine stolze Reihe rarer 7"-Singles kommt dabei zustande, nach denen sich Sammler einige Jahre später die Finger lecken werden. 1979 fasst er einige seiner Singles zu seinem Debütalbum zusammen. Danach wird es bemerkenswert still um den Mann, der sich noch ein paar Jahre zuvor aktiv für die Rechte der schwarzen US-Bevölkerung eingesetzt hat.
"Die 80er waren ziemlich lahm. Die Stunde schlug eher für House, Dance und den kommerziellen Typus des Soul. Musik, die die Industrie nach oben pushte. Für viele, die Soul machten, war das eine sehr schwere, traurige und irgendwie träge Zeit." Aufwärts geht es erst wieder in den 90ern, in denen Lee Fields insgesamt fünf Platten auf den Markt wirft.
Schließlich entdeckt ihn der französische House-DJ und Produzent Martin Solveig. Die Zusammenarbeit fruchtet, die beiden nehmen gleich mehrere Stücke miteinander auf: "Wir haben 'Everybody' zusammen gemacht, das hat mich wirklich umgehauen. Das ist eines der Highlights meiner musikalischen Karriere. Es ist zwar Dance, klingt also nicht zu soul-mäßig. Aber immer noch soulig genug."
Zwischen den Arbeiten mit Solveig entsteht zudem eine Ballade mit Sharon Jones & The Dap-Kings für deren Scheibe "Naturally". Schließlich unterschreibt er bei Truth & Soul, die ihm mit The Expressions die geballte moderne Vintage-Soul-Power zur Seite stellen. Musikern der Dap-Kings, der Budos Band und dem Antibalas Afrobeat Orchestra bilden die Kombo, mit der Lee Fields fortan im Studio steht.
2009 entsteht daraus "My World", drei Jahre später folgt mit dem gleichen Team "Faithful Man". Beide Alben zeichnet klassischer, vom Staub befreiter Soul aus.
Genau Lee Fields' Welt. Über die Jahre wird er zu einer festen Instanz im Soul. 2014 übernimmt er ein paar der Vocals in der James Brown-Filmbiografie "Get On Up". Nach dem Tod von Sharon Jones und Charles Bradley bleibt er 2019 mit "It Rains Love" als Last Man Standing zurück.
Der Musikjournalist Oliver Wang liegt wohl nicht ganz falsch, wenn er Lee Fields' Schaffen kommentiert: "In einer eigentümlichen Spielart musikalischer Evolution kommt Fields der Perfektionierung jenes Sounds, mit dem er als junger Mann aufwuchs, immer näher, je älter er wird."
© Laut
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