Dance Gavin Dance
Dance Gavin Dance blicken auf eine bewegte Geschichte zurück, die sich grob in zwei Kapitel einteilen lässt. Das erste beginnt im Jahr 2005 in Sacramento in Kalifornien. Zeitgleich mit Underoath, Alexisonfire oder Thrice surft die Band auf der Post Hardcore-Welle, die zu dieser Zeit die Staaten erfasst. Der Kombination aus Screamo- und Metal-Elementen fügt Sänger Johnny Craig einen melodischen Anstrich hinzu.
Doch noch bevor die Geschichte der Truppe so richtig Fahrt aufnimmt, geht Craig auch schon wieder von Bord. Nach dem ersten Album "Downtown Battle Mountain" von 2007 übernimmt Kurt Travis die Vocals. Schon auf dem Debüt fällt auf, wie viel Experimentierfreude und versiertes Gitarrenspiel im Stil der Band steckt. Komplexe Songstrukturen gehören von Beginn an zur DNA.
Mit Travis am Mikrofon und ständigen Besetzungswechseln veröffentlichen Dance Gavin Dance in den Folgejahren zwei weitere Platten, bis dann 2011 die Rückkehr des verlorenen Sohnes Johnny Craig ansteht. Der talentierte Sänger war in der Zwischenzeit nicht untätig. Mit Emarosa hat er ein weiteres, softeres Post Hardcore-Projekt ins Leben gerufen. Bezeichnend für den Neuanfang in beinahe der ursprünglichen Besetzung taufen Dance Gavin Dance ihr viertes Studioalbum auf den Namen "Downton Battle Mountain II".
Die alte neue Verbindung währt nur kurz. Zu oft ist Craig in Konflikte mit Fans oder Bandmitgliedern involviert. Allem voran lässt sich das auf seine Heroinabhängigkeit zurückführen. Skandale rund um seinen Drogenmissbrauch sowie andere kriminelle Delikte machen einen weiteren Rausschmiss des Sängers unvermeidbar. Diesmal findet sich nachhaltiger Ersatz.
Tillian Pearson, dessen androgyne Stimme unter Tausenden heraussticht, übernimmt das Mikro und haucht dem Projekt neues Leben ein. So richtig beginnt das angesprochene zweite Kapitel 2013 mit dem Album "Acceptance Speech". Von nun an kann sich die Band endlich ganz auf die Musik konzentrieren, und siehe da, der Stil gewinnt noch mehr an Kontur, Pearson passt perfekt in die wilde musikalische Mischung und ein starkes Output nach dem anderen reiht sich in die Diskographie.
Regelmäßig gelingt es nun, den abgefahrenen Gitarrentappings und dem Post Hardcore-Fundament eine funkige Note hinzuzufügen. Egal ob "Instant Gratification" (2015), "Mothership" (2016) oder "Artificial Selection" (2018): Alle Outputs schmeißen nur so um sich mit poppigen Melodien im progressiven Rahmen. Verspielt und manchmal etwas unwirklich, finden Dance Gavin Dance ihre eigene Nische in der Szene. Jede Menge Gastauftritte und neue Ansätze bei der Produktion prägen diese Phase ihres Schaffens.
Zwischendurch gibt es eine Welttournee, bei der alle ehemaligen Mitglieder, inklusive Johnny Craig, noch einmal die Bühne betreten und ihren Auftritt bekommen. Nach seinem unschönen Abgang haben sich die Wogen wieder geglättet. Die Band bleibt weiter fleißig und fügt der bereits stattlichen Diskografie 2020 das neunte Studioalbum "Afterburner" hinzu.
Die Art und Weise hat sich mittlerweile wie selbstverständlich eingespielt. Vereinzelt gibt es Anpassungen, kleine musikalische Überraschungsmomente in Tempo, Arrangement oder Rhythmus. Das Grundgerüst bleibt bestehen.
Im April 2022 dann die Schocknachricht: Im Alter von 34 ist Bassist Tim Feerick über Nacht verstorben. Später ist von einer vermutlichen Schmerzmittel-Überdosis die Rede. Damit sein musikalischer Input nicht umsonst war, erscheint am 29. Juli des gleichen Jahres wie geplant "Jackpot Juicer", das mit 18 Songs besonders umfangreiche zehnte Studioalbum. Dance Gavin Dance feiern sich gebührend selbst und dafür, dass aus dem anfänglichen Chaos in ihrer Bandgeschichte doch noch ein kontinuierliches, interessantes Projekt hervorgegangen ist.
Doch auf den tragischen Tod des langjährigen Bandmitglieds folgt im Juni desselben Jahres die nächste Hiobsbotschaft. Sänger Tillian Pearson wird von mehreren Frauen sexueller Übergriffe bezichtigt. Vorerst verlässt er die Band, kehrt aber im November wieder zurück. Er bestreitet alle Vorwürfe. Im April 2024 folgt dennoch die endgültige Trennung aus "internen Gründen" bzw. "kreativen Differenzen", wie es auf den Social Media-Kanälen der Band heißt. Man verabschiede ihn als Freund: "Wir wünschen ihm Glück, unsere Unterstützung und unseren Respekt für seine Zukunft in der Musik und im Leben."
© Laut
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